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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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bei dessen Anblick sie sich wieder einmal erstaunt fragte, wo Nacoya solche Dinge nur fand. Misa steckte ihrer Herrin die Haare hoch und befestigte sie mit Smaragd-und Jade-Nadeln. Als Mara mit der Verkleidungsprozedur fertig war, trippelte sie davon, um den Werbenden zu begrüßen.
    Als sie endlich erschien, weiteten sich Brulis Augen voll glühender Bewunderung. Er stieg etwas unbeholfen aus der Sänfte, während er den Rücken versteifte und sein Gewicht sorgfältig auf den Sandalen ausbalancierte. Mara unterdrückte einen Lachanfall; seine kostbaren Gewänder und die Kopfbedeckung waren offensichtlich schwer und unbequem. Die Bänder an den Ärmeln sahen aus, als würden sie ordentlich pieksen, und der breite Gürtel mit der farbenfrohen Stickerei nahm ihm die Luft und verstärkte das Gefühl der Hitze. Dennoch vermittelte Bruli den Eindruck eines Mannes, der sich rundum wohl fühlte. Er lächelte Mara charmant an und ließ sich von ihr in den kühlen Schatten des Herrenhauses führen.
    Sie machten es sich in einem Zimmer mit Blick auf den Garten mit seinem Springbrunnen bequem, und Mara ließ Wein mit Früchten und Gebäck herbeibringen. Wie immer langweilte sie sich bei Brulis Unterhaltung; doch Arakasi, der wieder die Rolle des Dieners übernommen hatte, konnte dem Gespräch einige brauchbare Informationen entnehmen, da sie zu dem paßten, was er bereits durch seine Spione erfahren hatte. Mara staunte immer noch über die Fähigkeit ihres Supais, aus scheinbar banalem Klatsch ernsthafte Informationen herauszuziehen. In den vertrauten Gesprächen, die gewöhnlich den Besuchen Brulis folgten, hatte Arakasi einige interessante Theorien zu den Vorgängen im Hohen Rat von sich gegeben. Wenn seine Spekulationen richtig waren, würde sich die Partei des Blauen Rades schon sehr bald aus dem Krieg in der barbarischen Welt zurückziehen und damit den glorreichen Feldzug des Kriegsherrn ernsthaft gefährden. Sollte dies geschehen, würden die Anasati, die Minwanabi und Almechos andere Verbündete ganz sicher nach anderweitiger Unterstützung Ausschau halten müssen. Mara fragte sich, ob Jingu ihre Beseitigung erneut angehen würde, bevor die Minwanabi gezwungen sein würden, ihre Energie auf etwas anderes zu lenken.
    Brulis plaudernde Stimme versiegte, und zu spät begriff Mara, daß sie den Gesprächsfaden verloren hatte. Sie überbrückte die Pause mit einem Lächeln, von dem sie nicht ahnte, wie umwerfend hübsch es sie machte. Bruli strahlte sie mit warmen Augen an. Seine Gefühle waren vollkommen aufrichtig, und einen Augenblick überlegte Mara, wie sie sich in seinen Armen wohl fühlen würde, verglichen mit der unfreundlichen Behandlung, die sie durch Buntokapi erfahren hatte. Doch dann beugte Arakasi sich etwas nach vorn, um ein Insekt totzuschlagen, und seine Kleidung raschelte am Weintablett. Bei der unerwarteten Bewegung fuhr Bruli zusammen, und eine Hand schnellte zu dem Dolch, den er in der Schärpe verborgen hatte. Von einer Sekunde zur nächsten hatte sich der glühende Bewerber in einen tsuranischen Krieger verwandelt, den nichts als angespannte Muskeln und kalte Augen kennzeichneten. Maras kurzfristige sentimentale Stimmung war sofort dahin. Im Vergleich mit seinesgleichen mochte dieser Mann durchaus zivilisierter sein, und er konnte sicherlich charmanter reden, besaß einen schöneren Körper und ein hübscheres Gesicht als der brutale Kerl, den sie einst geheiratet hatte. Doch tief im Innern war er ernst und herrisch. Wie Buntokapi würde er aus einem plötzlichen Impuls heraus töten oder Schmerz zufügen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
    Mara ärgerte sich über diese Erkenntnis, als hätte sie für eine kurze Zeit etwas anderes in diesem Mann gesucht –- oder in irgendeinem Mann. Daß diese Sehnsucht eine sinnlose Hoffnung war, rief in ihr den irrationalen Instinkt hervor, sich zu wehren. Sie tat, als wäre ihr nicht wohl bei der Hitze, fächelte sich eifrig Luft zu und schob schließlich das Oberteil ihres Gewandes etwas zur Seite, so daß sie Bruli einen tiefen Blick auf den größten Teil ihrer Brüste gewährte. Der Effekt trat sofort ein. Der junge Mann besänftigte sich und zog wie ein Sarcat seine kämpferischen Klauen wieder ein. Jetzt war eine andere Spannung in ihm, und er rückte näher zu ihr heran.
    Mara lächelte; ein ruchloser Glanz trat in ihre Augen. Die kleinen Glöckchen an ihrem Handgelenk bimmelten in einem perfekten Akkord, einer Septim, als sie scheinbar zufällig den

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