Die Stunde der Wahrheit
geht nicht.«
Wasser schwappte über, als Bruli sich erhob, um dagegen zu protestieren. Mara eilte beflissen an seine Seite und drückte ihn sanft in die Wanne zurück. »Euer Vergnügen muß deshalb nicht unterbrochen werden.« Sie lächelte, jeder Zentimeter fürsorgliche Gastgeberin, und rief nach einer ihrer Dienerinnen. »Misa, Bruli hat sein Bad noch nicht beendet. Ich denke, du solltest hierbleiben und dich um ihn kümmern.«
Die hübscheste der Dienerinnen, die mit Tüchern hereingekommen waren, trat jetzt vor und zog ohne Zögern ihr Gewand und die Unterkleider aus. Sie hatte eine schöne, ja atemberaubende Figur, doch Bruli ließ sich nicht ablenken, sondern betrachtete nur Mara, die inzwischen ihre sauberen Kleider anzog und den Raum verließ. Leise schloß sich die Tür hinter ihr. Der Sohn des Lords der Kehotara ballte seine Hand zu einer Faust und ließ sie laut platschend ins Wasser klatschen. Dann, nach einigem Zögern, bemerkte er die Zofe. Allmählich verflog seine Enttäuschung und wich einem hungrigen Lächeln.
Er tauchte durch Schaum und zerfaserte Ölschlieren zu ihr und packte sie an den Schultern. Mara, verborgen hinter der Tür, wartete das Finale nicht ab, sondern schloß behutsam und geräuschlos die kleine Spalte im Laden. Nacoya und Papewaio folgten ihr den Flur entlang. »Du hattest recht, Nacoya. Ich verhielt mich wie eine Königin, und er bemerkte Misa kaum, bis ich fort war.«
Ein schwaches Plätschern drang vom Badezimmer zu ihnen, unterbrochen von mädchenhaftem Gekreische.
»Inzwischen scheint er sie sehr wohl bemerkt zu haben«, wandte Papewaio ein.
Nacoya ging darauf nicht ein. »Misa wird seinen Appetit nur noch mehr anregen. Er wird jetzt darauf brennen, Euch zu bekommen, Tochter. Ich glaube, Ihr habt mehr von den Männern gelernt, als ich vermutete. Doch es ist gut, daß Bruli sich in Eurer Gegenwart ruhig verhalten hat. Wenn Pape ihn hätte töten müssen …« Sie ließ den Gedanken unausgesprochen.
»Nun, er mußte es nicht.« Gereizt und sonderbar angewidert beendete Mara das Thema. »Ich werde mich jetzt in mein Arbeitszimmer begeben und dort verbergen. Gebt mir Bescheid, wenn Bruli mit Misa fertig und abgereist ist.« Sie entließ ihren Truppenführer und die Erste Beraterin mit einer knappen Handbewegung. Nur der Läufer war noch bei ihr; er reckte sich in dem Bestreben, den kräftigen Schritt eines Kämpfers nachzuahmen. Dieses Mal amüsierten sie seine Possen nicht. »Schick Jican zu mir ins Arbeitszimmer«, befahl sie ihm kurz angebunden. »Ich habe Pläne, die das Land betreffen, das wir vom Lord der Tuscalora erworben haben.«
Mara eilte entschlossen weiter, doch das quietschende Lachen eines Kindes ließ ihren Ärger verfliegen. Ayaki war aus seinem Mittagsschlaf erwacht. Mara lächelte nachsichtig und nahm einen anderen Weg. Die Intrigen und das Große Spiel des Rates konnten warten, bis sie einige Zeit mit ihrem Sohn verbracht hatte.
Als Bruli von den Kehotara das nächste Mal erschien, um Mara den Hof zu machen, wurde er von einem Dutzend Tänzern und Tänzerinnen begleitet, die ihr Handwerk alle außergewöhnlich gut verstanden und sich mit athletischer Grazie drehten und zur Musik eines ganzen Orchesters herumwirbelten. Die Sänfte, die der Prozession folgte, war wieder eine andere, geschmückt mit Metallen und Edelsteinen. Mara blinzelte gegen die grelle Spiegelung des Sonnenlichts und kam zu dem Entschluß, daß der Stil ihres Bewerbers nah an die pompöse Aufmachung herankam, die der Lord der Anasati bevorzugte.
»Warum wird jedes neue Treffen immer mehr zu einer Zirkusveranstaltung?« flüsterte sie Nacoya zu.
Die alte Frau rieb sich die Hände. »Ich habe Eurem jungen Bewerber erklärt, daß Ihr einen Mann schätzt, der seinen Reichtum stolz der Welt zur Schau stellen kann. Ich war allerdings nicht ganz so eindeutig.«
Mara warf ihr einen skeptischen Blick zu. »Woher wußtest du, daß er auf dich hören würde?«
Nacoya winkte dem jungen Mann lässig zu, der sich hoffnungsvoll aus der Sänfte lehnte, um einen Blick auf die Lady werfen zu können, der er den Hof machen wollte. »Tochter, habt Ihr es immer noch nicht gelernt? Liebe kann selbst den besten Mann dazu bringen, aus sich einen Narren zu machen.«
Mara nickte; zumindest verstand sie, warum ihre alte Amme darauf bestanden hatte, daß sie sich wie eine Hure verhielt. Der Auftrag seines Vaters allein hätte Bruli niemals dazu gebracht, ein solches Vermögen auszugeben. An diesem
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