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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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müden Augen, daß er das gleiche dachte; selbst Keyoke konnte nicht gewarnt werden. Das Risiko war jetzt noch weit größer, als ihre Berater angenommen hatten. Wenn sie starb, würde sehr wahrscheinlich ein Angriff auf Ayaki erfolgen, noch bevor die Kunde von ihrem Tod die Güter der Acoma erreichen konnte.
    Ein alter Freund ihres Vaters, Pataki von den Sida, ging an ihrem Tisch vorbei und verneigte sich höflich. »Ihr tut gut daran, Euren Leibwächter zum Schlafen fortzuschicken«, sagte er so leise, daß nur Mara und Nacoya ihn hören konnten.
    »Euer Rat ist klug, Mylord.« Sie lächelte und bemühte sich, nicht ganz so müde auszusehen. »Doch ich habe ihm dies bereits früher vorgeschlagen, und Papewaio sagte, er brauchte keinen Schlaf.«
    Der bereits etwas ältere Lord nickte; er war sich genauso im klaren wie die anderen, daß die Hingabe des Kriegers nicht ganz unangebracht war. »Seid vorsichtig, Tochter Sezus«, sagte Pataki. »Almecho hat nicht viel übrig für Jmgu. Es würde ihn ergötzen, wenn die Ziele der Minwanabi einen Dämpfer erhielten, doch er benötigt ihre Unterstützung für seinen kleinen Krieg in der barbarischen Welt. Sollte es Jingu also gelingen, Euch ohne Schande zu töten, wird Almecho nichts gegen ihn unternehmen.« Einen Augenblick betrachtete der Lord der Sida das Podest, auf dem der Ehrengast saß. Beinahe nachdenklich fügte er hinzu: »Dennoch würde Almecho mit Freuden seinen rituellen Selbstmord verfolgen, sollte Jingu nachweislich den Eid, für die Sicherheit der Gäste zu sorgen, gebrochen haben.« Pataki lächelte, als hätten sie nur gewöhnliche Höflichkeiten ausgetauscht. »Viele von den hier Anwesenden haben einen Anteil an dem, was mit den Acoma geschieht, Mylady. Doch niemand außer den Minwanabi wird gegen Euch vorgehen. Zumindest kennt Ihr Euren Feind.«
    Ein Gefühl der Wärme stieg plötzlich in Mara auf, und sie nickte respektvoll. »Ich denke, ich kenne auch meinen Freund, Lord Pataki.«
    Der alte Mann lachte; er tat so, als reagiere er auf eine witzige Bemerkung. »Die Sida und die Acoma sind seit vielen Generationen in Ehren miteinander ausgekommen.« Er warf einen Blick auf seinen eigenen Tisch, wo zwei Enkel saßen. »Hin und wieder haben Euer Vater und ich sogar über eine mögliche Verbindung gesprochen.« Verschmitztheit trat in seine Augen. »Ich würde mich freuen, wenn wir beide uns einmal über solche Dinge unterhalten könnten. Jetzt muß ich aber zu meiner Familie zurückkehren. Die Götter mögen Euch beschützen, Mylady.«
    »Und die Götter mögen Euch beschützen«, erwiderte Mara.
    Nacoya beugte sich näher zu Mara. »Zumindest ein Mann hier ist wie Euer Vater«, flüsterte sie.
    Mara nickte. »Dennoch wird er keinen Finger rühren, wenn Jingu handelt.« Es war bekannt, daß die Schwachen in der Öffentlichkeit starben, ohne daß Zuschauer eingriffen, solange die Form gewahrt blieb. Der Lord der Minwanabi würde zuschlagen. Die einzige Frage war, wann.

    Hinter den geöffneten Läden war das von der Dämmerung eingehüllte Seeufer zu sehen, und der See glitzerte wie eine Decke aus gehämmertem Silber im Abendrot. Ein Stern nach dem anderen erschien am Himmel, während Sklaven mit Dochten und Ölkannen ihre Runde machten und die Lampen anzündeten. Bald würde es dunkel sein, und die Gefahr würde zunehmen. Mara folgte den anderen Gästen zu der Banketthalle, sie tat ihr Bestes, um ihrer heiteren und fröhlichen Stimmung zu entsprechen. Doch aus vollstem Herzen wünschte sie, ein Krieger zu sein, um mit Rüstung und Waffe kämpfen zu können, bis der Tod sie oder ihren Feind gefunden hatte; voller Angst durch eine lächelnde und lachende Menge zu gehen hieß Stück für Stück vernichtet zu werden, bis aus der Würde eine Maske geworden war, hinter der sich der Wahnsinn verbarg.
    Die Mahlzeit, die Jingu von den Minwanabi zu Ehren des Kriegsherrn servieren ließ, war von einigen der besten Köche im ganzen Kaiserreich zubereitet worden; dennoch aß Mara, ohne wirklich etwas zu schmecken, als sie von den Gerichten nahm, die auf Platten mit seltenen Metallrändern serviert wurden. Sie hielt sich während des Essens aufrecht, um Nacoyas angespannte Nerven etwas zu beruhigen. Ihr war die ganze Zeit über bewußt, daß Papewaio gegen die Müdigkeit ankämpfte. Sie mußte ihn nicht fragen, um zu wissen, daß er die ganze vergangene Nacht ohne Pause an der Tür Wache gestanden hatte. Doch obwohl er ein starker Mann war und einen scharfen Geist und

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