Die Stunde Der Woelfe
mir den Kopfhörer herunter und fuhr mir mit den Fingern durchs blonde Haar, wobei ich hoffte, dass es nicht allzu plattgedrückt aussah.
Der Aufnahmeleiter hieà Jim Soundso. Seinen Nachnamen hatte ich vergessen. Genauer gesagt hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, ihn mir einzuprägen. Nächste Woche wäre ich bei einem anderen Sender und würde mit einem anderen Team arbeiten. Fast ein ganzes Jahr, die
meiste Zeit, die die Sendung gelaufen war, hatte ich aus Denver gesendet. Doch vor einem Monat hatte ich die Stadt verlassen. Oder war verjagt worden. Das war Ansichtssache.
Anstatt mir eine neue Operationsbasis zu suchen, entschied ich mich, durchs Land zu reisen. Auf diese Weise ersparte ich mir Ãrger mit den jeweiligen ortsansässigen Werwölfen und war schwerer aufzufinden. Für das Radiopublikum machte es keinen Unterschied. Diese Woche sendete ich aus Flagstaff.
Ich lehnte im Rahmen der Tür, die in den Regieraum führte, und schenkte Jim zum Dank ein Lächeln. Wie so viele Leute, die die Nachtschicht hinter dem Mischpult aufgedonnert bekamen, war er unglaublich jung, College-Alter, vielleicht sogar ein Praktikant oder höchstens ein Assistent oder Ãhnliches. Er schwitzte. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, derart viele Anrufe bei einer Talkshow bewältigen zu müssen, die um Mitternacht lief.
Die meisten meiner Zuhörer blieben lange auf.
Er reichte mir einen Telefonhörer. Ich sagte in die Sprechmuschel: »Hi Matt.«
Matt hatte für die Sendung am Mischpult gearbeitet, als ich noch in Denver war. Jetzt unterwies er das jeweilige Team, das sich vor Ort befand. Ohne ihn könnte ich das hier nicht tun.
»Hey Kitty! Das wäre dann wohl geschafft.«
»Ist es okay gewesen?«
»Hat toll geklungen.«
»Das sagst du jedes Mal«, meinte ich mit einem leisen Winseln.
»Was soll ich sagen? Du bist eben gleichbleibend gut.«
»Danke. Glaube ich jedenfalls.«
»Morgen ist Vollmond, stimmtâs? Alles klar bei dir?«
Es war nett, dass er daran gedacht hatte, sogar noch netter, dass er sich Sorgen um mich machte, aber ich sprach nicht gerne darüber. Er war ein AuÃenstehender. »Ja, sicher, ich habe einen guten Ort gefunden.«
»Pass auf dich auf, Kitty.«
»Danke.«
Ich brachte meine Arbeit im Sender zu Ende und kehrte in mein Hotelzimmer zurück, um den Rest der Nacht zu schlafen. Nachdem ich das BITTE NICHT STÃREN-Schild an die Tür gehängt hatte, sperrte ich ab. Natürlich konnte ich nicht schlafen. Seitdem ich die Sendung moderierte, war ich zu einer Nachtschwärmerin geworden. Ich hatte mich daran gewöhnt, erst im Morgengrauen einzuschlafen und dann gegen Mittag aufzuwachen. Das war sogar noch leichter, seit ich nun alleine war. Niemand kontrollierte mich, niemand war mit mir zum Mittagessen verabredet. Da waren nur ich, die StraÃe, einmal die Woche die Sendung. Einmal im Monat ein abgelegener Wald. Ein einsames Leben.
Der nächste Abend war bereits verplant. Vollmondnächte waren immer verplant.
Vor zwei Tagen war ich auf den Ort gestoÃen: ein abseits gelegener Wandererparkplatz am Ende einer unbefestigten StraÃe im Innern eines State Parks. Den Wagen konnte ich in einer abgeschiedenen Ecke hinter einem Baum abstellen. Echte Wölfe kamen nicht so weit in den Süden, also musste ich mir nur um etwaige ortsansässige
Werwölfe Sorgen machen, die vielleicht dieses Revier markiert hatten. Ich verbrachte einen Nachmittag damit herumzuspazieren, Ausschau zu halten, zu wittern. Auf diese Weise gab ich den Einheimischen Gelegenheit, mich zu sehen, lieà sie wissen, dass ich hier war. Ich nahm nichts Unerwartetes wahr, bloà die normalen Waldgerüche nach Wild, Fuchs, Hasen. Ein gutes Jagdgebiet. Es hatte ganz den Anschein, als würde ich es ganz alleine für mich haben.
Zwei Stunden vor Mitternacht stellte ich den Wagen am anderen Ende des Parkplatzes ab, wo man ihn von der StraÃe aus nicht sehen konnte. Ich wollte keinerlei Hinweise darauf geben, dass ich mich irgendwo da drauÃen befand. Auf keinen Fall sollte mir jemand, insbesondere die Polizei, hinterherschnüffeln. Ich wollte nicht, dass sich jemand im Umkreis von ein paar Meilen aufhielt, den ich verletzen könnte.
Ich hatte das hier schon einmal getan. Es war die zweite Vollmondnacht, die ich alleine, als Streunerin, verbrachte. Das erste Mal war ereignislos verlaufen,
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