Die Stunde Der Woelfe
habe. Es müsste ein 115-Kilo-Wolf sein. Er sagt, in der Natur kommt so etwas nicht vor. Allmählich fängt das Revier tatsächlich an, auf mich zu hören.«
»Ach ja, richtig. Sie haben gesagt, Sie würden Cormac nicht vertrauen.«
»Wenn Sie zum Tatort kommen und sämtliche Gerüche identifizieren könnten, oder was immer Sie tun, würde mir das wenigstens sagen, dass ich es mit demselben Mörder zu tun habe.«
»Warum heuern Sie nicht einfach einen Profi an?«
Sie öffnete die Arme wieder und fing an auf und ab zu gehen. »Okay. Schön. Wie haben Sie herausgekriegt, dass ich mit dem Kopfgeldjäger gesprochen habe?«
»Er hat es mir erzählt.«
»GroÃartig«, murmelte sie.
»Er will, dass wir Informationen austauschen. Da ist was dran.«
»Sehen Sie mal, im Moment spreche ich mit jedem, der mir in den Sinn kommt. Ich lasse mich sogar von einem FBI-Experten der Verhaltensanalyseeinheit beraten.«
Ich legte den Kopf schief. »Sie behandeln diesen Fall wie die Suche nach einem Serienmörder? Nicht nach einem auÃer Kontrolle geratenen Monster?«
»Serienmörder sind Monster. Dieser Kerl mag ein Werwolf sein, aber er benimmt sich wie ein Mensch, nicht wie ein Wolf. Seine Opfer sind nicht willkürlich. Er wählt sie gut aus: junge, verwundbare Frauen. Ich wette, er sucht sie sich aus, pirscht sich an sie heran und bringt sie um, weil es sich um leichte Beute handelt.« Oh, welch gewählte Formulierung! »Seine Vorgehensweise ist diejenige eines Serienkillers, nicht eines Wolfs. Oder auch eines Werwolfs. Ja, ich habe mich in das, was Sie mir gegeben haben, eingelesen. Wölfe sind für gewöhnlich clever genug, sich von Menschen fernzuhalten.«
»Ja. Für gewöhnlich. Schauen Sie mal, Detective.« Ich zappelte nervös herum und zwang mich erst in letzter Sekunde, sie anzusehen. »Ich glaube nicht, dass ich das noch einmal aushalte. Das letzte Mal hat mir wirklich zu schaffen gemacht.«
»Was denn, hat es in Ihren Augen lecker ausgesehen?«
»Kann ich nicht genauso schockiert und traumatisiert sein wie alle anderen?«
Sie zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe und sagte mit einer tüchtigen Prise Sarkasmus: »Tut mir leid.«
Ich sah weg. Meine Kiefermuskeln verspannten sich. »Wahrscheinlich sollte ich mich glücklich schätzen, dass Sie mich nicht als Verdächtige behandeln.«
»Das mache ich nicht aus Nettigkeit. Es ist eine Sache der Statistik â Serienmorde werden nur selten von Frauen begangen.«
Von der Statistik gerettet. »Ich weià vielleicht, wie der Kerl riecht, aber ich habe keine Ahnung, wie er zu finden ist.«
Sie schloss die Augen und atmete tief ein, als zähle sie bis zehn oder lege sich ein Argument zurecht. Dann sah sie mich an und sagte: »Sie müssen sich die Leiche nicht ansehen. Kommen Sie einfach an den Tatort mit und sagen Sie mir alles darüber, was Sie können. Sie müssen mir helfen, bevor noch mehr Frauen sterben.«
Hätte dieses Gespräch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt als dem Tag nach der Sendung mit Estelle stattgefunden, hätte ich Nein sagen können. Hätte sie nicht diese bestimmte Formulierung auf diese bestimmte Art und Weise verwendet, hätte ich vielleicht ablehnen können.
Ich erhob mich und nahm meine Jacke von der Stuhllehne.
Dieser Tatort lag nicht weit vom letzten entfernt, doch diesmal war es keine StraÃe mit Wohnhäusern, sondern eher eine EinkaufsstraÃe. Das Opfer war eine Verkäuferin
in einem 24-Stunden-Supermarkt, die sich nach ihrer Schicht auf dem Heimweg befunden hatte.
Die Pressewagen waren wieder da, mehr denn je. Die Stadt hatte ihren Serienmörder, und sie fielen genüsslich darüber her.
»Woher wissen die, wo sie hinmüssen?«, fragte ich. »Sie müssen zur gleichen Zeit wie Ihre Leute zur Stelle gewesen sein.«
Hardin blickte finster drein. Diesmal galt der Blick nicht mir, sondern den Reportern, die auf uns zuhielten, als wir parkten. »Sie hören den Polizeifunk ab.«
Das Geschrei setzte ein, noch bevor ich die Wagentür aufgemacht hatte.
»Ms. Norville! Kitty Norville! Was steckt Ihrer Meinung nach hinter diesen Morden? Was haben Sie mit der Polizei zu besprechen? Haben Sie eine Stellungnahme für uns?«
Auf Hardins Empfehlung hin ignorierte ich die Presseleute. Sie schirmte mich von den Kameras ab und
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