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Die Stunde der Zaem

Die Stunde der Zaem

Titel: Die Stunde der Zaem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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hatte keine Ahnung, was hinter seinem Rücken auf ihn wartete.
    Zaubern? Vielleicht ließ Heevas Magie sich mit den richtigen Worten aufheben.
    Aber dazu war er viel zu aufgeregt. Jeder Herzschlag dröhnte in seinen Schläfen wie ein wahrer Trommelwirbel.
    Wo befand er sich überhaupt?
    Seine Umgebung war eine gänzlich andere geworden. Dichte Nebelschleier stiegen vor ihm auf, ließen die Berge im Hintergrund mehr erahnen als erkennen. Der Himmel war eintönig grau, und ein schwefliges Gelb spannte sich von Horizont zu Horizont, nur unterbrochen von einigen schweren Gewitterwolken.
    Das Land ringsum glich einer Talsenke. Irgendwo plätscherte Wasser. Es roch dumpf und modrig, fast wie in einem Moor.
    Kaum hatte Lankohr diese Überlegung zu Ende gebracht, als der Boden unter seinen Füßen zu schwanken begann. Brackiges, fauliges Naß schwappte hoch und netzte seine Stiefel; Blasen stiegen an die Oberfläche empor und zerplatzten.
    Lankohr wollte schreien, im letzten Moment besann er sich jedoch eines Besseren. Ein aufkommender Wind ließ ihn frösteln, obwohl dampfende Schwüle ihn umgab. Fühlte er nicht die Berührung der lauernden Bestie?
    Ich hasse dich, Heeva! dachte er. Gleichzeitig sprang das Tier.
    Zwei mächtige Pranken trafen den Aasen an der Schulter und wirbelten ihn herum. Er war zu keiner Gegenwehr fähig, vermochte nicht einmal, sich abzufangen, als er kopfüber in den Schlamm stürzte. Prustend und spuckend kam er hoch, gewahrte einen gewaltigen Schatten über sich und ließ sich geistesgegenwärtig sofort wieder fallen.
    Abermals schlug die stinkende Brühe über ihm zusammen. Nur mit Mühe konnte Lankohr seinen Ekel unterdrücken. Er fand Halt, zog sich daran weiter, während er krampfhaft die Luft anhielt. Hinter ihm ertönten die schaurigsten Geräusche, die bewiesen, daß das Untier auf der Suche nach seiner Beute den Schlamm aufwühlte.
    Nur ein Gedanke beseelte den Aasen: weiter, weg von diesem Ort des Schreckens.
    Erst als ihm der Atem knapp wurde, tauchte er auf. Sehen konnte er nichts, weil der Dreck seine Augen verklebte. Auch als er sich mit der Hand über die Lider wischte, wurde das kaum besser.
    Es war still geworden ringsum. Zitternd lauschte Lankohr. Nichts vernahm er außer dem Säuseln des Windes, der wohltuende Wärme brachte.
    Zeigte Heeva ein Einsehen?
    »Wir sind von einem Volk«, murmelte der Aase. »Weshalb mußt du mir nachstellen?«
    Eine Antwort erwartete er nicht. Sie blieb auch aus.
    Der Schlamm auf seiner Kleidung und in seinem Gesicht trocknete schnell. Wie eine Maske ließ er sich ablösen - eine Totenmaske, die ein entstelltes Antlitz zeigte. Lankohr erschrak bei diesem Anblick, daß er sie weit von sich schleuderte.
    Ich wünsche dir die Pest an den Hals! durchzuckte es ihn.
    Schwärme von Insekten stürzten sich auf ihn. Unmöglich, sich ihrer zu erwehren. Er begann zu laufen, achtete nicht auf den Weg, der ihn tiefer in das Tal führte. Steine und Wurzeln ließen ihn mehrmals stürzen, aber immer wieder raffte er sich auf und hastete weiter, getrieben von dem Willen, sich von keiner Frau besiegen zu lassen.
    Endlich stieß er auf einen kleinen See, dessen unbewegte Oberfläche den mittlerweile giftig gelben Himmel widerspiegelte. Ohne zu zögern, sprang er hinein. Das Wasser war kühl. Mit hastigen Schwimmstößen strebte er dicht über dem steinigen Grund dem anderen Ufer zu. Erst jenseits der Mitte des Gewässers tauchte er auf, um Atem zu schöpfen. Zurückblickend sah er eine dunkle Wolke aus Insekten über jener Stelle kreisen, wo er untergetaucht war.
    Diesmal hatte er Heeva ein Schnippchen geschlagen. Wenn es ihm gelang, ihr Versteck ausfindig zu machen, würde er sie vielleicht sogar überlisten können.
    Lankohr watete an Land. Seine Haut juckte noch immer, aber es waren wohl die nassen Kleider, die dieses unangenehme Gefühl verursachten. Er beschloß, sich ihrer zu entledigen.
    Doch kaum hatte er sein Wams ausgezogen, bildeten sich viele eitrige Pusteln auf seinen Gliedern. Er konnte zusehen, wie sie wuchsen und aufbrachen; sie riefen das gräßliche Jucken hervor.
    Lankohr schrie auf.
    Die Pest! - Was hatte er getan, daß die Götter ihn mit dieser Geißel straften?
    Unwillkürlich zuckte er zusammen, sich seiner Verwünschung wohl erinnernd. Konnte es sein, daß Heeva ihm die Krankheit sandte?
    Furcht und Entsetzen lähmten ihn. Lankohr war nicht mehr in der Lage, auch nur einen Schritt aus eigenem Willen heraus zu machen. Die Schlange der Versuchung

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