Die Stunde der Zaem
schimmerten in Heevas Augenwinkeln. Achselzuckend ging Lankohr darüber hinweg, wenngleich es ihn keineswegs unberührt ließ.
»Was ist mit Stee geschehen?« wollte er schließlich wissen.
Heeva lächelte wieder.
»Sie hat sich in ihrer eigenen Bosheit gefangen. Bis sie aufwacht, werden vielleicht Tage vergehen. Doppelt und dreifach mag sie alle Schrecken durchleben, die sie dir zugedacht hatte.«
Überlegend kaute Lankohr auf seiner Unterlippe. Immer wieder warf er Heeva einen scheuen Blick zu, denn nach wie vor wußte er nicht, woran er mit ihr war.
»Worauf wartest du noch? Gib schon zu, daß ich dir gefalle.« Ihre Art war direkt, was allerdings auch auf Offenheit und Ehrlichkeit schließen ließ. Zu gerne hätte Lankohr ihr Glauben geschenkt, nicht zuletzt, um sie endlich in die Arme nehmen zu können.
Er erhob sich und ging zu Stee hinüber. Die Aasin jammerte leise. Ihr Antlitz wirkte verkrampft, ihre Augäpfel rollten wie wild unter den geschlossenen Lidern - Zeichen, daß sie nicht wirklich Ruhe fand.
»Zufrieden?« rief Heeva. Lankohr wandte sich langsam zu ihr um.
»Weshalb tust du das für mich?«
Sie seufzte unterdrückt.
»Ich habe mich in Zaems männerfeindlichem Frostpalast nie wohl gefühlt; unser Dasein muß ganz einfach mehr sein als nur stumpfsinniges Unterdrücken körperlicher Regungen. Weshalb haben die Götter einst Mann und Frau geschaffen…?«
Noch vor einem Mond hätte Lankohr alles für einen solchen Blick gegeben wie den, den Heeva ihm nun zuwarf. Inzwischen war das Mißtrauen leider zu tief in ihm verwurzelt.
Er schalt sich selbst einen Narren. Keine drei Schritte entfernt stand das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte, und wirkte keineswegs so, als würde es eine zärtliche Geste abweisen, doch er zögerte.
»Kannst du mich nur mit diesem haßerfüllten Blick ansehen?« fragte sie.
Er ächzte.
»Beweise mir, daß du es wirklich ehrlich meinst.«
»Habe ich das nicht längst?« Die Aasin seufzte.
»Indem du Stee angeblich daran gehindert hast, meiner habhaft zu werden. Ich weiß nicht.«
»Du bist stur, Lankohr. Glaubst du tatsächlich an all diese Argumente, die du vorbringst, oder sind sie nicht vielmehr ein Vorwand, weil du fürchtest, dich zu verlieben?«
»Pah«, machte der Aase erschrocken. »Auf so etwas kann nur eine Frau kommen.«
Abermals sah Heeva ihn aus feuchten Augen an. In ihrem Blick lag jedoch auch Trotz.
»Dein Freund Mythor schwebt in Gefahr«, sagte sie spontan. »Frage mich jetzt nicht, woher ich es weiß - es ist eben so, und du solltest dich damit abfinden. Was mich interessiert, ist, würdest du deine Meinung über mich ändern, wenn ich dich zu ihm hinführe?«
»Ja«, erwiderte Lankohr. Heeva hatte soeben seine geheimsten Befürchtungen bestätigt. Gerade noch rechtzeitig besann er sich. »Was wird aus Stee?« fragte er.
»Sie kann uns nichts anhaben«, meinte Heeva. »Und nun komm. Wir müssen zur Lichtinsel.«
Im Widerstreit seiner Gefühle folgte Lankohr ihr. Immer mehr war sein Mißtrauen im Schwinden begriffen. Die Aasin hatte etwas an sich, das seinen Widerstand langsam schmelzen ließ wie die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne den Schnee des Winters. Aber noch war es zu früh, ihr das zu zeigen.
*
Seit Menschengedenken war die Lichtinsel der Mittelpunkt des Regenbogendoms, barg sie den Nabel der Welt und Fronjas Schrein. Hier lebte (oder träumte) die Erste Frau Vangas, die Tochter des Kometen; hier nahm das Schicksal der Südwelt seinen Ausgang.
Zwölf Zugänge existierten zu dieser kleinen Welt der Helligkeit und der Hoffnung, geschaffen für die zwölf Zaubermütter Vangas und geschützt durch Vorhänge aus reinem Licht, daß Ungebetenen der Eintritt verwehrt wurde.
Für Fremde gab es nur einen Weg, den Nabel der Welt zu schauen: allein in den sogenannten Gasthäuschen war es ihnen gestattet, die Lichtinsel zu betreten. Allerdings durften sie diese Sänften in der Gestalt kleiner Türmchen nicht verlassen.
»Das hilft uns auch nicht weiter«, maulte Gerrek ungehalten und stierte aus sicherer Entfernung auf die wehenden Lichtvorhänge des zu Zaems Zacke hin gelegenen Zugangs. »Wir müssen durch. Was ist, tapfere Kriegerin«, er wandte sich zu Scida um, »worauf warten wir noch?«
»Ich frage mich, ob es ratsam ist, solcher Weise vorzugehen«, gab die Amazone zu bedenken. »Vielleicht sollten wir doch die Gasthäuschen aufsuchen.«
»Und etliche Stunden verlieren, während womöglich Entscheidendes
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