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Die Stunde der Zaem

Die Stunde der Zaem

Titel: Die Stunde der Zaem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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geschieht.« Gerrek winkte ab. »Das da ist Licht, was kann es uns anhaben? Immerhin streiten wir für die Werte des Lichtes…«
    Ohne auf Scidas warnenden Ausruf zu achten, stürmte er vorwärts. Die Helligkeit zog ihn förmlich an.
    Mit beiden Händen teilte er die Vorhänge, griff hinein, als bestünden sie lediglich aus schwerem Stoff…
    Ein grelles Aufleuchten blendete ihn, ließ ihn, der auch des nachts zu sehen vermochte, hastig die Lider schließen. Vor seinen Augen tanzten winzige Regenbogen.
    Ein zartes helles Klingen wurde hörbar, wie Gerrek es nie zuvor vernommen hatte. Durch Mark und Bein ging es, setzte sich in seinen Überlegungen fest und verdrängte alle Gedanken, die mit einemmal so unwichtig waren wie kaum etwas anderes.
    Der Beuteldrache verhielt seinen Schritt nicht. Aber seine Bewegungen erlahmten, weil das Licht ihn einhüllte und sich eng um seine Glieder legte. Es schnürte ihm den Brustkorb zu und machte das Atmen zur Qual.
    »Scida«, wollte er rufen, doch es wurde nur ein heiseres Krächzen daraus.
    Jäh verlor er den Boden unter den Füßen - jedenfalls schien es ihm so. Er, dem das Fliegen stets Unbehagen bereitet hatte, schloß die Augen und verkrampfte sich, aber auch dann noch blieb das schreckliche Gefühl, emporgehoben zu werden und schneller und höher dahinzutreiben als die Wolken am Himmel über Vanga.
    Gleißende Helligkeit war um ihn her. Sie kannte keinen Ursprung und schien nie zu verblassen. Gerrek begann heftig zu schwitzen; ihm war alles andere als wohl in seiner Haut. Sein eigenes hastiges Keuchen nahm er nicht wahr, als sauge diese unwirkliche Umgebung jedes Geräusch in sich auf.
    Allmählich wurde ihm bewußt, daß er dagegen nicht ankämpfen konnte. So ließ er sich treiben…
    War das die Lichtinsel? Er wußte es nicht, zweifelte jedoch daran, denn Fronjas Lebensbereich hatte er sich wahrhaft anders vorgestellt.
    Ein flüchtiger Schatten stieß auf ihn herab. Gerrek bemerkte ihn lediglich aus den Augenwinkeln heraus und erschrak. Aber als er den Kopf wandte, war da nichts mehr.
    Schon war er versucht, sich einzureden, daß er einer Täuschung zum Opfer gefallen war, als er es zum zweitenmal sah:
    Eine gräßliche Fratze starrte ihn an - ein kantiges, von Falten und Runzeln übersätes Maul, darüber zwei geradezu riesige, tückisch funkelnde Augen. Reißzähne, scharf wie Dolche, schnappten nach ihm.
    Gerrek riß sein Kurzschwert hoch, gleichzeitig verschwand die Erscheinung.
    Doch sie war sofort wieder da. Hinter ihm. Er spürte es daran, daß seine Nackenhaare sich sträubten.
    Herumwirbeln und zuschlagen war eins. Der Beuteldrache fragte nicht erst, ahnte er doch die Gefahr, die von diesem Monstrum drohte.
    Seine Klinge glitt mitten durch die Erscheinung hindurch, ohne sie zu verletzen. Alles ging so schnell, daß Gerrek kaum Zeit fand zu begreifen. Plötzlich sah er sich zwei Bestien gegenüber, die ihn angriffen. Auch sie besaßen Schwerter, schwangen sie unter gräßlichen Verrenkungen.
    Abermals schlug er zu - oder dachte er nur, daß er dies tat? - und hatte es mit vier Gegnern zu tun, die einander ähnlich waren wie ein Ei dem anderen.
    Ihre Nüstern zitterten vor Erregung.
    Nüstern?
    Siedendheiß fuhr es Gerrek durch den Körper. Mitten im nächsten Hieb verhielt er und stierte seine Gegenüber an. Das Erkennen war mit jäher Furcht verbunden. Die vier besaßen Katerbärte aus schütterem blondem Haar, ihre Glubschaugen quollen weit aus den Höhlen hervor, während ihre langen Knickohren halb aufgerichtet am Schädel anlagen. Sie waren Beuteldrachen.
    Gerrek benötigte die Dauer einiger erschreckter Herzschläge, um vollends zu begreifen. Er stand sich selbst gegenüber, seinen Ebenbildern.
    Ohne zu fragen, wie es möglich war, ließ er die Klinge sinken.
    »Freunde«, wollte er rufen, aber kein Laut kam über seine Lippen. Gleichzeitig griffen sie wieder an.
    Einen Hieb konnte Gerrek abwehren, einen zweiten unterlief er. Dann schlug er selbst zu. Sein Herz verkrampfte sich, als er fintierte und aus der Drehung heraus zum shantiga ansetzte, den er Scida abgeschaut hatte.
    Großer Überwindung bedurfte es, den Schlag auch zu Ende zu führen. Das war nicht so, als kämpfe man gegen einen unbarmherzigen Feind - das war ganz anders. Der Beuteldrache bot der Klinge keinen Widerstand, und als sie traf, war es Gerrek, als würde ihm ein Stück seiner selbst genommen. Schnaubend, mit verzerrtem Gesicht und kleine Feuerwolken ausstoßend, verteidigte er sich.

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