Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1
sein, die Liam gefördert hätte.«
»Er hat es nicht gefördert. Jedenfalls nicht, um sich finanziell zu bereichern. Aber es gibt andere Gründe, die Hinterlist nötig machen.«
»Und was ist mit den anderen?«
»Dune kann Wasser beeinflussen. Es ist schwieriger, als es sich anhört. Ava … nun ja. Sie versucht, ein paar Sachen auf die Reihe zu bekommen.« Michael schenkte mir ein entschuldigendes Lächeln, das dahinschwand, als er zur Hintertreppe schaute. »Da wir gerade von Ava sprechen … Ich muss mit ihr reden. Dann können wir uns auf den Rückweg nach Ivy Springs machen.«
»Ich warte hier auf dich.«
Kochend vor Eifersucht.
Er verschwand in Richtung Hintertreppe, und es hörte sich an, als würde er zwei Stufen auf einmal nehmen. »Was machen Nate und Dune denn heute?«, fragte ich Cat.
»Ein Beratungstermin, den ich arrangiert habe. Dune kann zum Beispiel Ebbe und Flut beeinflussen oder die Fließrichtung von Flüssen. Das ist hilfreich, wenn wir bestimmte Dinge herausfinden wollen, doch es ist keine Gabe, die er besonders oft nutzen kann. Aber er ist ein wahres Genie, wenn es ums Recherchieren geht, was sehr praktisch ist …«
Sie fuhr fort, und ich versuchte, ihr zu folgen, aber meine Gedanken wanderten in Avas Zimmer. Was machten die beiden da oben? Sie hatte gesagt, sie müsse mit ihm reden. Ich hoffte, dass sie wirklich nur miteinander redeten. Und ich wünschte, sie wäre nicht so eine umwerfende Schönheit. Am liebsten hätte ich mich nach oben geschlichen und an ihrer Tür gelauscht. Ich hatte es am Tag zuvor nicht zugegeben, als Michael mich danach gefragt hatte, aber ich hatte tatsächlich im Internat gelernt, wie man Leute belauscht. Von meinen Mitschülern. Nicht von den Lehrern.
Plötzlich merkte ich, dass Cat schwieg und darauf wartete, dass ich auf etwas antwortete, was sie gesagt hatte.
»Wie bitte? O Gott, tut mir wirklich leid.« Ich setzte mich gerade hin und hielt mir beschämt die Hände vor den Mund.
»Ist schon gut – ehrlich. Ich weiß, dass du mit den Gedanken woanders bist.«
»Ist das so offensichtlich?« Ich verbarg mein Gesicht, um die Röte zu verstecken, die mir in die Wangen stieg.
»Ich verstehe, wie es zwischen euch beiden ist«, sagte sie. »Zwischen Liam und seiner Frau war es genauso.«
»Was meinst du damit? Wie war es denn zwischen ihnen?«
»Verhängnisvoll.« Cat lachte über mein perplexes Gesicht und tätschelte sanft meine Schulter.
Schwere Schritte waren auf der Treppe zu hören – deutlich langsamer als auf dem Weg nach oben. Michael trat allein durch die Küchentür, seine Gesichtszüge wirkten müde und abgespannt. »Wenn wir nicht bald aufbrechen, schickt dein Bruder einen Suchtrupp aus.«
»Die kommen bestimmt mit Fackeln und Heugabeln, weil er seit gestern nichts mehr von mir gehört hat.«
»Lass uns fahren.«
Anscheinend gab es Ärger im Paradies.
Das konnte ich nur hoffen.
28. KAPITEL
I ch setzte Michael bei seinem Wagen ab, und wir verabredeten uns im Murphy’s Law. Ich schuldete Lily eine Erklärung. Bevor ich ins Café ging, checkte ich meine Mailbox. Sieben Nachrichten von Thomas.
Man konnte es so sagen: Ich steckte bis zum Hals in brauner Materie, und mein großer Bruder hatte die Hand an der Toilettenspülung.
Ich parkte und überquerte den Markplatz, während ich mir den Kopf darüber zerbrach, was ich Lily sagen sollte. Vorm Murphy’s Law blieb ich stehen, weil mir einfach keine glaubhafte Geschichte einfallen wollte. Oder wenigstens eine anständige Lüge.
Durchs Fenster konnte ich sie in Gedanken versunken am Tresen stehen und irgendetwas auf einen Block kritzeln sehen. Ich öffnete die Eingangstür, und die Türglocke schreckte sie aus ihren Gedanken. Sie schob Stift und Block in die Schürzentasche und stemmte die Hände in die Hüften.
»Mädchen!«
Die Art, wie sie das Wort betonte, beinhaltete hundert Fragen gleichzeitig.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, sagte ich defensiv.
»Das tut mir aber leid für dich.«
Damit waren wir schon zwei. »Ich war nicht die ganze Zeit mit ihm zusammen, seit er mich hier abgeholt hat! Gestern Abend musste ich nochmal weg. Ich hatte was zu erledigen. Da ist er mir über den Weg gelaufen. Wir haben nicht auf die Zeit geachtet. Es ist spät geworden und …«
»Du musst mir nichts erklären.« Sie zog das Geschirrtuch von ihrer Schulter und polierte den Tresen. Unnötigerweise. »Behalt deine Geheimnisse für dich.«
»Lily, bitte.« Ich nahm ihr das Tuch aus
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