Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1
gestehen. Es gab zu viele Geheimnisse in meinem Leben.
Die Türglocke läutete, als jemand das Café betrat. Weil mein Energielevel plötzlich um zehn Stufen anstieg, wusste ich, dass es Michael sein musste. Er schlenderte auf den Tresen zu und lächelte Lily an.
»Michael«, sagte ich, »das ist Lilliana Garcia.«
Die sonst so wortgewandte und selbstsichere Lily – ein Musterbeispiel für Anmut und Grazie – saß einfach auf ihrem Hocker und kicherte.
»Freut mich, dich kennen zu lernen, Lilliana.«
»Nenn mich Lily«, hauchte sie wie Marilyn Monroe, und ich fragte mich, ob Michael auf jedes Mädchen diese Wirkung hatte.
»Freut mich, Lily.« Er schenkte ihr ein weiteres Lächeln, und ich hörte sie leise seufzen. Dann schaute er mich an und fragte aufmunternd: »Und bist du bereit für deine Standpauke, Em?«
»Was bleibt mir anderes übrig?« Lily starrte Michael an, als würde sie den Mount Everest erklimmen und den Ärmelkanal durchschwimmen, wenn er sie darum bäte. Ich schnipste mit den Fingern, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. »Lily? Lily? «
»Ja?« Nur mit Mühe konnte sie sich von seinem Anblick losreißen. Sie räusperte sich. Die rauchige Stimme machte auf mich ohnehin keinen Eindruck. »Ja?«
»Bis morgen, vorausgesetzt Thomas sperrt mich nicht in mein Zimmer ein.«
»Viel Glück. Tschüss Michael!«, sagte sie mit huldvollem Winken.
Als wir losgehen wollten, machte Lily hinter Michaels Rücken die wildesten Verrenkungen, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie ahmte heißes Geknutsche nach, und ich schleifte Michael so schnell wie möglich aus dem Laden, bevor sie sich selbst oder mich blamierte. Wir überquerten den Marktplatz mit dem Springbrunnen und den schmiedeeisernen Bänken. Ich hatte Drus Wagen an einer der wenigen Stellen am Straßenrand geparkt, wo keine Parkuhr herumstand. Michaels Cabrio stand direkt dahinter.
»Ich hoffe, dein Zauber wirkt auch auf meinen Bruder!«, sagte ich, als wir einen rostigen, knatternden Kleinlaster passieren ließen, der mit seinen Auspuffgasen die Luft verpestete.
»Wovon redest du?«
Ich löste das schlüssellose Schließsystem aus. »Erzähl mir doch nicht, dass du Lilys Reaktion auf dich nicht bemerkt hast. So hab ich sie in Gegenwart von Jungs noch nie erlebt.«
Er verdrehte die Augen und öffnete die Autotür für mich.
»Das mit der Zauberei mein ich ernst«, sagte ich und stieg in den SUV, dessen Ledersitze von der Sonne angenehm warm geworden waren.
»Ich glaube, du erwartest ein bisschen zu viel von mir und meinen Fähigkeiten. Dein Bruder wird nie und nimmer begeistert davon sein, dass du die Nacht mit mir verbracht hast, selbst wenn ich zum nächsten Houdini mutieren würde.«
»Ich habe nicht die Nacht mit dir verbracht. Ich meine … äh. Ich habe nur bei dir übernachtet.« Jetzt fühlten sich meine Wangen genauso heiß an wie meine Beine auf dem aufgeheizten Ledersitz, und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. »Was ich noch fragen wollte«, sagte ich schließlich, um vom Thema abzulenken. »Wenn wir in die Vergangenheit reisen, um Liam zu retten, ist das sicher nicht ganz ungefährlich, oder?«
»Es ist nicht ohne Risiken.« Er stützte sich auf die offene Fahrertür und verdeckte mit seinen breiten Schultern die Sonne.
Ich lehnte mich zurück und war froh, nicht mehr blinzeln zu müssen. »Die Leute von Hourglass kennen deine Fähigkeiten. Was ist, wenn sich herumspricht, dass du eine Partnerin gefunden hast, mit deren Hilfe du die Dinge verändern kannst?«
»Vergiss nicht, dass Kaleb sich noch im inneren Kreis befindet, und er hat nichts gehört«, sagte Michael und trommelte auf die Scheibe. »Jonathan hat alle Hände voll zu tun, um seine Spuren zu verwischen, und hat bestimmt keine Zeit, auf Gerüchte zu achten.«
»Nur weil er beschäftigt ist, heißt das noch lange nicht, dass er nichts von mir weiß.« Ich fühlte, wie sich auf Stirn und Oberlippe winzige Schweißperlen bildeten.
»Wir haben Vorsichtsmaßnahmen getroffen«, versicherte er mir. »Es ist völlig unmöglich, dass jemand bei Hourglass etwas ahnt, abgesehen von Kaleb, und er sagt garantiert kein Wort.«
Mir wurde heiß und heißer, weshalb ich den Motor startete und Klimaanlage und Gebläse einschaltete. »Was ist mit Liams Frau?«
»Wenn man so eng miteinander verbunden ist wie die beiden … Nach seinem Tod wurde sie sehr krank.« Michael schaute zum Springbrunnen.
»Ist alles in Ordnung mit ihr? Oder ist sie gestorben?«
»Es
Weitere Kostenlose Bücher