Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1
nicht aufeinander losgehen?! Hört auf, euch wie Babys zu benehmen!«
Nach meiner Erfahrung hatte es immer eine sehr ernüchternde Wirkung, wenn man Jungs mit Babys verglich. Und auch diesmal löste die Spannung sich auf. Michael setzte sich wieder aufs Bett, und Kaleb ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen und beäugte mich argwöhnisch. »Hey, Bruder, kannst du Shorty nicht wieder an die Kette legen?«
Die Hände in die Hüften gestemmt, trat ich ihm gegenüber und ließ mich kaum davon einschüchtern, dass wir fast auf Augenhöhe waren, obwohl er saß und ich stand.
»Erstens lass ich mich von niemandem herumkommandieren außer von mir selbst. Zweitens, wenn du noch ein einziges Mal was von Anketten sagst, tret ich dir in den Hintern.« Ich stach ihm mit voller Wucht den Finger in die Brust. »Und drittens, nenn mich nie wieder Shorty.«
Kaleb blieb einen Moment lang still sitzen und machte große Augen. »Wo hast du die denn aufgetrieben? Kannst du mir auch so eine besorgen?«, sagte er zu Michael.
Ich seufzte frustriert auf und ließ mich neben Michael aufs Bett fallen, der nicht einmal versuchte, sein Lächeln zu verbergen. »Du solltest dich bei Emerson entschuldigen.«
»Es tut mir leid.« Kaleb grinste mich an. »Tut mir leid, dass ich dich nicht als Erster kennen gelernt habe.«
33. KAPITEL
I ch möchte nichts essen!«
Wir drei hatten uns in die Küche verzogen. Michael spähte in den Kühlschrank und suchte nach etwas Essbarem. Kaleb hatte das Gesicht auf die Tischplatte gepresst und die Arme über den Kopf gelegt. Ab und zu lugte er hervor und lächelte mir zu. Er hatte wirklich Charme.
Tonnenweise.
»Sicher würde Nate dir ein halbes Dutzend von seinen Eiern überlassen. O lecker, weißt du, was deinen Magen beruhigen würde? Frühstücksspeck.« Michael öffnete die Packung und wedelte triumphierend damit herum.
Der Geruch wehte zu uns herüber, und Kaleb stöhnte genervt. Michael zwinkerte mir zu, als wäre ich seine Mitverschwörerin. Ich beneidete sie um ihren lockeren Umgang miteinander, besonders nach dem Streit, bei dem es fast zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre.
Ich merkte, dass auch ich mich hier wohlfühlte. Ich sah Michael an, der nach wie vor den Kühlschrank durchforstete, und Kaleb neben mir. Es fühlte sich richtig an. Ich war nicht in der Erwartung hergekommen, einen Ort zu finden, an dem ich mich zugehörig fühlte.
Das Freakteam. Vielleicht sollten wir Mannschaftstrikots anschaffen.
Das warme Kameradschaftsgefühl verblasste ein wenig, als ich über die Wahrheit nachdachte. Michael wusste nicht alles, nicht wirklich. Wenn er herausfand, wie mein Leben vier Jahre zuvor ausgesehen hatte … Es war kein Leben gewesen. Ich hatte nur noch vor mich hin vegetiert.
Schritte waren zu hören, und Ava kam in die Küche geschlendert. Ihre Stilettos klackerten über das Parkett. Sie schenkte mir ein verkniffenes Lächeln, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtete.
»Michael?« Avas Stimme klang ungeduldig.
Er zuckte zusammen und tauchte aus dem Kühlschrank auf. »Ava. Wie geht’s dir heute Morgen?«
»Wir müssen unsere Pläne für Thanksgiving festmachen.« Kaleb hatte sie bis dahin noch keines Blickes gewürdigt. »Ich will unsere Flüge nach Los Angeles buchen. Vorausgesetzt, du nimmst meine Einladung an?«
Michael reagierte wie ein verschrecktes Reh, das nachts vom Scheinwerferlicht geblendet wird. »Darüber haben wir doch schon geredet.«
»Nein, haben wir nicht.« Sie runzelte die Stirn und wirkte ernsthaft verwirrt.
»Es war vor ein paar Tagen. Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht …«
»Komm doch gleich nach oben, dann sehen wir uns die Flugpläne an. Wenn du damit« – sie machte eine vage Handbewegung in Richtung Tisch – »fertig bist.«
Kaleb feixte. »Oh, wenn du ihn brauchst, ist er sicher ›fertig‹ mit mir. Michael, vergiss nicht, dir die Hände zu waschen, bevor du meine Läuse auf Shi… Ava überträgst.«
»Säufer«, sagte Ava herausfordernd.
»Giftnudel«, konterte er.
»Kinder!« Michael kreuzte die Hände. »Schluss jetzt!«
Ava warf Kaleb einen bösen Blick zu und verließ die Küche. Michael folgte ihr.
Ohne sich umzuschauen.
»Warum sagst du ihr nicht, was du wirklich fühlst?«, fragte ich Kaleb, als sie fort waren.
»Das habe ich von Anfang an getan.« Kaleb legte die Arme auf den Tisch, stützte den Kopf auf seine Faust und sah zu mir auf. »So wie ich dir jetzt am liebsten sagen würde, dass ich
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