Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1
Gefühl, als würden wir in derselben Liga spielen.«
»Mir war gar nicht klar, dass wir ein Spiel spielen.« Seine dunklen Augen verengten sich ein wenig. Wahrscheinlich fragte er sich, ob er genug dafür bezahlt bekam, sich mit mir abzugeben. »Soll ich dich Em oder Emerson nennen?«
Das machte mich stutzig. Ich konnte mich nicht erinnern, dass mich jemand in seiner Gegenwart Em genannt hatte.
»Emerson ist okay. Fürs Erste. Nennst du dich Michael oder Mike? Oder Mikey?«
»Seh ich aus wie ein Mikey?«
»Ähm … nein.«
»Michael ist okay. Fürs Erste.« Er presste die Lippen zusammen, was jedoch nicht verkniffen wirkte, sondern sehr sexy, als würde es ihm schwerfallen, sich ein Lächeln zu verbeißen.
Er strich über die schmiedeeiserne Brüstung der Terrasse, dann drehte er sich wieder zu mir um und schüttelte das Regenwasser von seinen Händen. »Dein Bruder hat eine besondere Gabe. Ich bin noch niemandem begegnet, der so viel Mühe darauf verwendet, den Zauber eines Ortes wieder lebendig werden zu lassen. Hat er all diese Gebäude restauriert?«
Von der Terrasse hatte man einen wunderschönen Blick auf die preisgekrönte Restauration des alten Marktplatzes. Viele Fenster der zwei- und dreigeschossigen Gebäude waren hell erleuchtet. In den Lofts wohnten hauptsächlich junge, erfolgsverwöhnte Leute, Paare mit ausgeflogenen Kindern sowie die eine oder andere Familie. Nachbildungen der historischen Gaslaternen beleuchteten die Straßen, die von originellen Läden, Antiquitätenhändlern, Cafés und Galerien gesäumt wurden. Pflanzkästen und -kübel präsentierten eine spätsommerliche Blütenpracht. Mittlerweile zählte Ivy Springs zu den zehn schönsten amerikanischen Kleinstädten, und man konnte sich nur allzu leicht vorstellen, wie es hier vor hundert Jahren ausgesehen haben musste, was für mich äußerst problematisch war.
Diese Pferdekutsche konnte unmöglich real sein.
Die ersten Töne eines alten Swing-Liebeslieds wurden durch die regenfeuchte Luft getragen und mischten sich mit dem Duft der violettfarbenen Wicken, die am schmiedeeisernen Geländer hochrankten. Ich wandte den Blick von dem überaktiven Marktplatz ab und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Michael.
»Ja, Thomas hatte bei jeder einzelnen Renovierung die Hände im Spiel. Seine Vorstellungskraft ist unglaublich.« Und teuer … und trotzdem letztendlich immer Gewinn bringend.
»Was ist mit deiner Vorstellungskraft?« Raffiniert. Sein Tonfall war beiläufig, aber ich spürte den tieferen Sinn seiner Worte und fragte mich, was Thomas ihm über mich erzählt hatte.
Ich umfasste die Eisenstäbe, wobei ich es vermied, mir die Finger an den Wicken nasszumachen. »Warum bist du hier, Michael Weaver?«
»Um dir zu helfen.« Die Anteilnahme in seinem Gesicht war eine willkommene Abwechslung. Er sah aus, als würde er sich ernsthaft für meine Probleme interessieren. Ich wollte ihm beinahe schon alles erzählen.
Beinahe.
Stattdessen kicherte ich spöttisch, hielt mich an den Geländerstäben fest, lehnte mich zurück und schwang ein bisschen hin und her, wie ich es als kleines Mädchen am Klettergerüst getan hatte. »›Um dir zu helfen.‹ Was für ein abgedroschener Spruch.«
»Wie oft hast du ihn schon gehört?«
»Mal überlegen. Da waren diese beiden Schwestern, die behaupteten, sie könnten in meine Vergangenheit und in meine Zukunft sehen. Anscheinend bin ich eine Nachfahrin von Mata Hari, die als mögliche finnische Thronerbin galt.«
»In Finnland gibt es keine …«
»Ich weiß .«
»Autsch!« Zwischen seinen Augen zeigte sich eine mitleidsvolle Falte.
»Das war mal wieder ein Schuss in den Ofen. Immerhin hat Thomas das Geld dafür zurückgekriegt. Das hab ich ihm abgeschwatzt und dazu noch seine Kreditkarte, für eine anständige Shoppingtherapie. Ich habe mir alle Mühe gegeben, ihn bankrott zu machen.« Ich grinste bei dieser teilweise glücklichen Erinnerung, und Michael teilte mein Lächeln. Es ließ mich fast vergessen, was ich gesagt hatte. »Ähm … Dann war da noch dieser Schamane, der die bösen Geister aus meinem Körper vertreiben wollte. Das war der Brüller; er hat behauptet, er brauchte dazu nichts weiter als eine Mischung aus Salzlake und Asche.«
Michael schüttelte ungläubig den Kopf. »Wo findet dein Bruder bloß solche Leute? Offensichtlich ist er ein gewitzter Geschäftsmann – wie kommt er da auf die Idee, solche Scharlatane anzuheuern?«
»Aus Verzweiflung vielleicht. Mein
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