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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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stand.
    «Ich mag kaltes Wasser, Conte.»
    Er lächelte auf seltsame Weise, löste sehr langsam seinen Blick von ihr und wandte sich Guerrini zu.
    «Du auch, Angelo?»
    «Ich hasse kaltes Wasser!»
    Jetzt lachte Enrico di Colalto, legte sogar den Kopf in den Nacken.
    «Dann müsst ihr beiden unbedingt nach Saturnia fahren. Heißes Wasser für dich und kaltes für die Signora. Aber ich möchte euch nicht länger aufhalten. Wollte nur sehen, ob nach dem Sturm alles in Ordnung ist bei euch. Würde es dich sehr stören, Angelo, wenn ich euch in den nächsten Tagen zum Essen einladen würde?»
    «Nein, nicht sehr.»
    «Das ist eine gute Antwort. Ich werde mich melden. Erholt euch. Und sehen Sie sich unser Meer genau an, Signora, dann können Sie mir berichten.» Er neigte den Kopf, hob grüßend eine Hand und entschwand durch die offene Terrassentür. Als Laura etwas sagen wollte, legte Guerrini einen Finger an die Lippen, lief zum CD-Player und ließ wieder Beethoven durchs Haus donnern.
    «Was war denn das?» Laura musste fast schreien, um ihn zu erreichen. Trotzdem ließ Angelo sich auf das Sofa fallen und tat so, als hätte er noch immer nichts verstanden. Laura dämpfte Beethoven und wiederholte ihre Frage.
    «Wenn du dich neben mich setzt, dann erklär ich’s dir! Der Beethoven ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, falls er noch draußen steht, um zu hören, was wir nach seinem Abgang reden.»
    Laura setzte sich neben ihn, und er legte einen Arm um ihre Schultern.
    «Friedensverhandlungen?»
    «Das wäre eine Möglichkeit. Du siehst wirklich gut aus, Laura. Bezweckst du damit irgendwas?»
    «Ja, ich wollte dich und deinen Conte di Colalto beeindrucken. Woher nehmt ihr Italiener nur diese unglaublichen Namen? Und wer ist denn das, um Himmels willen?»
    Die Musik war noch immer sehr laut.
    «Er ist der Sohn eines Geschäftsfreunds meines Vaters. Ich habe dir ja schon erzählt, dass meine Eltern und ich häufig in dieses Haus am Meer gekommen sind. Enrico war nicht wirklich mein Freund, wir haben uns auch nicht besonders oft getroffen. Aber ab und zu sind wir Segeln gegangen oder haben Tennis gespielt. Ich habe ihn seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gesehen.»
    «Und du traust ihm nicht! Oder warum hast du mich zur Meeresforscherin gemacht?»
    «Warum hast du nicht zugegeben, dass du eine Kollegin bist?»
    «Weil es mir irgendwie günstiger vorkam.»
    «D’accordo!»
    «Und warum?»
    «Ich weiß es nicht, Laura. Es war nur so ein Gefühl, und ich kann mir dich als Meeresforscherin ganz gut vorstellen.»
    «Bitte versuch für ein paar Minuten ernst zu bleiben.»
    Er nahm den Arm von ihren Schultern und beugte sich vor. «Ich fand es merkwürdig, dass er ausgerechnet heute auftaucht. Er hätte uns doch vor zwei Tagen begrüßen können, er wusste genau, wann ich ankommen würde. Stattdessen hat er den Schlüssel für das Haus bei den Wärtern an der Pforte hinterlegt. Und er hat auch nicht angerufen. Er taucht auf, nachdem wir eine Leiche am Strand gefunden haben. Natürlich kann das Zufall sein, vielleicht wollte er wirklich nur nach dem Haus sehen. Andererseits wird Fabrizio ihm das bereits an der Pforte erzählt haben. Ach, ich weiß es nicht! Vielleicht ist dieses ewige Misstrauen eine Berufskrankheit. Ich will das nicht! Es macht mich irgendwie rasend! Ich möchte Urlaub machen, Laura – einfach nur Urlaub! Mit dir!»
    Ich auch, dachte Laura. Trotzdem sind wir schon mittendrin in einer Geschichte, die wir nicht mal im Ansatz verstehen, und das ist genau das, was uns wahrscheinlich nicht loslässt. Aber sie sagte es nicht. Nickte nur. Und sie war neugierig auf die Einladung des Conte Enrico di Colalto. Aber auch das sagte sie nicht, sondern legte eine Hand auf Guerrinis Brust und drückte ihn sanft in die gelben Kissen des großen Sofas. Er leistete keinen Widerstand.
     
    Es war kurz nach ein Uhr mittags, als Ernesto Orecchio die ersten Häuser von Portotrusco erreichte. Der Himmel war wieder blau und seltsam hoch über der kleinen Hafenstadt, die ihm heute ganz zerbrechlich vorkam. So zerbrechlich wie das Dorf seiner Kindheit. Er konnte sich plötzlich vorstellen, dass sich das Meer zu einer riesigen Welle erhob und Portotrusco wegfegte. Den Strand hatte es sowieso schon fast aufgefressen. Von dem waren nur noch ein paar Meter übrig. Orecchio kam es vor, als wollte das Meer sich rächen. So wie die Erde damals, bei dem Erdbeben. Orecchio war kein besonders gebildeter oder gläubiger Mann, aber den Zusammenhang

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