Die Stunde des Adlers (Thriller)
ausliefern. Aber er macht das immer mal wieder. Ist ja berechtigt dazu.«
»Winter, wie lange braucht man von hier zum Bunker?«
»Gut eineinhalb Stunden.«
»16.32 Uhr, sagten Sie?«
»Ah, darauf hätte ich auch selbst kommen müssen, Herr Präsident.«
»Winter, wir müssen zusammenarbeiten. Wenn Sie Hauser gecheckt haben, dann prüfen Sie bitte noch einmal, was wann am Mittwoch auf dem Bunkerareal passiert ist.«
»Soll ich hinfahren?«
»Auf keinen Fall. Sie sind heute Abend um 19 Uhr bei mir zu Hause, klar?«
»Und von Hartenstein?«
»Ganz einfach: Wenn er im Bunker ist, dann lebt er. Und zwar genau bis zum D-Day.«
19.00 Uhr
Wie bei einem Stehempfang stand die Gruppe im Empfangsbereich der Dohm ’ schen Präsidentenvilla. Von Schoeler hatte den Intendanten des ZDF im Schlepptau. Kleine Amtshilfe zwischen den Polizeipräsidenten von Mainz und Frankfurt, und der Intendant war gerne gekommen, nachdem er erklärt bekommen hatte, dass Schwander wahrscheinlich ermordet worden war. Wegen eines Films, den er sich anschauen sollte.
Thomsen brachte alle notwendigen Unterlagen für den Präsidialcode mit. Winter stand neben Simone Dohm, die er noch aus Zeiten als Bodyguard ihres Mannes gut kannte. Noch immer wusste er nicht, ob Hauser die Türe geöffnet haben konnte. Allerdings war bestätigt, dass Klein um 17.55 Uhr auf das Bunkergelände gefahren war. Eigentlich war das von 16.32 Uhr an zu knapp berechnet. Aber nur eigentlich.
Hutter weinte. Er war mit den Nerven am Ende, zutiefst erschüttert über den Tod von Melanie. Als Claus Victor Dohm ins Haus trat, versuchte der junge Bundesbankassessor sich wieder etwas zu fangen. Doch Dohm tat etwas für ihn sehr Ungewöhnliches – er nahm Hutter in den Arm.
Unbemerkt, so hofften sie, waren Dohm und Veronica de Borquese am Nachmittag in London gewesen. Veronica hatte sich entschieden, dass das, was sie seit Mittwoch tat, im Sinne ihres Mannes war, schließlich kannte sie Tracy Bellamie seit Jahren. Und de Borquese hatte Dominique gestern davon überzeugt, dass er durchhalten müsse, wenn er die Mörder von Melanie de Wager überführen wolle.
Während Dohm den jungen Mann im Arm hielt, wurde ihm mehr und mehr klar, dass Hutter der Schwachpunkt in seinem Plan war. Das Gute an dem Plan war aber, dass noch Zeit bestand, Hutter aufzupäppeln. Doch das Warten war auch zugleich das Allerschlimmste an dem Plan. Aber Winter hatte sich festgelegt, dass er 24 Stunden zur Vorbereitung brauchte. »Abhörsicher ist abhörsicher«, hatte er seinem Präsidenten erklärt.
D-Day minus 2: Samstag
12.00 Uhr
Auf und ab, hin und her. Ihr geräumiges Loft kam Anna-Maria Kuhn an diesem Tag sehr klein vor. Wie ein Tiger immer an der Käfigwand entlangschrammte, nutzte Kuhn in ihrem Bewegungsdrang jede Ecke aus. Selbst Kanzler Roth war gestern Abend im Bett bereits aufgefallen, wie unkonzentriert seine Sherpa bei der Sache gewesen war. Er konnte ja nicht ahnen, dass es für sie nicht nur um die Abermilliarden-D-Mark-Einführung, sondern auch um eine 50-Millionen-Dollar-Überweisung ging.
Sollte es nach der Einführung der D-Mark zu dem wirtschaftlichen Zusammenbruch kommen, den die feine Frau Professorin Walther de Pasquale prophezeite, würde Kuhn ihren Rücktritt anbieten müssen. Und sie wusste genau, dass dieser Zusammenbruch gar nicht so unwahrscheinlich war. Vielleicht würde sie dann erst einmal so tun, als würde sie noch so etwas wie Kunstgeschichte in den USA studieren, und sich dann in die Karibik absetzen. Und wenn sich alles wieder eingerenkt hätte, käme sie wie Phönix aus der Asche zurück. Träte sie zurück, könnte sie nicht für die Folgen schlechter Politik der Regierung Roth verantwortlich gemacht werden. Kuhn könnte dann den Wiederaufbau organisieren. Als Bundeskanzlerin selbstverständlich. Geld hätte sie dann schließlich genug, um sich den schlecht bezahlten Polit-Job dauerhaft leisten zu können.
Nachdem sie gemeinsam mit »ihrem Kanzler-Geschöpf« mit Blick auf den Reichstag gefrühstückt hatte, war sie in ihr schickes Heim im hippen Friedrichshain gefahren. Noch einmal war sie, ausgerechnet bei leckeren französischen Croissants, alle Punkte für Sonntagabend und Montagmorgen mit ihm durchgegangen. Was sollte der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wann sagen? Kuhn hatte es ihm aufgeschrieben. Danach hatte der Kanzler in den Politikalltag in die Provinz gemusst. Dafür hatte Madame ohnehin nicht viel übrig, außer es nutzte der
Weitere Kostenlose Bücher