Die Stunde des Adlers (Thriller)
Handy in der Tasche.
10.50 Uhr
20 Minuten hatte Dohm auf dem Klo verbracht, ehe er die erlösende SMS erhalten hatte. Winter konnte zweifelsfrei bestätigen, dass Peter Thomsen den ganzen Nachmittag mit zwei seiner Abteilungsleiter in einer Sitzung gesessen hatte, in der es um Sicherheitsfragen gegangen war. Aus diesem Grund war das Alibi wasserdicht. Nachdem Dohm die Nachricht gelesen hatte, zog er die Spülung. »Wasserdicht« durchfuhr es ihn erleichtert, als er das Wasser rauschen sah.
»Checken Sie asap die anderen«, simste Dohm zurück, ehe er sich wieder auf den Weg in sein Büro machte.
»Thomsen, sehen Sie mir bitte nach, dass ich Sie habe so lange warten lassen.«
»Sie sind der Präsident.«
»Das ist aber normalerweise nicht mein Stil.«
»Die Zeiten sind aber auch nicht normal.«
Dohm überlegte, wie der ihm gegenübersitzende Thomsen wohl zu der ganzen Sache stand. Sie kannten sich noch nicht so lange, erst ein paar Jahre. Thomsen war eine dieser politischen Bestellungen, allerdings der alten Parteien. Außerdem hatte sich der Thomas-Becket-Effekt bei ihm voll entfaltet, er war nach seiner Berufung zu einem unabhängigen Geist geworden und folgte nicht mehr der Politik. Der neuen schon gar nicht, das war Dohm bereits aufgefallen.
»Lassen Sie uns die Sache hinter uns bringen.« Dohm nahm die Mappe mit den Unterlagen, die bestimmte Anweisungen im Vorfeld des D-Days in Gang setzen würden. Allen voran, dass das gesamte Personal im Bunker Wochenenddienst haben würde und dass man die Notfallnummern aller Hauptfilialen zusammenschalten konnte, um alle am Wochenende zurück in die Filialen beordern zu können. Denn das neue Geld musste ja im Filialnetz der Deutschen Bundesbank zwischengelagert werden.
»Müssen wir das wirklich tun?« Die Frage war eindeutig.
»Wir haben formal keine andere Wahl. Die sind gewählt worden, Thomsen.«
»Was ist mit von Hartenstein? Der ist doch nicht wirklich abgehauen, oder?«
»Ja und nein, aber auf jeden Fall hatte der irgendeine Idee, was man hätte tun können.«
»Und Sie wissen es nicht, Herr Dohm?«
»Keine Ahnung, keine neue Idee, Thomsen. Wir können das Geld vor denen ja nicht verstecken.« Der Präsident sprang auf. Alle Unterlagen waren bereits unterschrieben.
»Jetzt gibt es wohl kein Zurück mehr.«
»Vielleicht habe ich eine Idee, Herr Präsident.«
»Welche denn?«
»Kann ich den Präsidialbeschluss noch einmal sehen, Herr Dohm?« Thomsen las den Text laut vor: »Hiermit verfüge ich, dass die Deutsche Bundesbank auf Beschluss des Bundessicherheitskabinetts mit der Auslieferung der Deutschen Mark umgehend beginnt, sobald der nur mir bekannte Code an den leitenden Sicherheitsdirektor übermittelt wurde. Claus Victor Dohm, Präsident der Deutschen Bundesbank.«
»Was ist damit?«
Statt zu antworten, schrieb Thomsen etwas auf einen Zettel, den er Dohm unter die Nase hielt.
»Wir liefern aus wie beschlossen, Herr Präsident.«
»Das ist doch verrückt, Thomsen.«
»Am verrücktesten sind diese Markigen.«
»Aber wir bräuchten noch etwas, das die Markigen im Mark erschüttert.«
»Dazu habe ich keine Idee.«
»Die hatte vielleicht von Hartenstein.«
»Jedenfalls danke, Herr Kollege. Ich denke darüber nach. Ich melde mich. Ich habe nur einen Schuss frei.« Dohm gab seinem Zahlungsverkehr-Vorstand die Hand und zog ihn dabei zugleich ein wenig in Richtung Türe. Als sein Gast verschwunden war, stürmte auch schon Frau Sandmann herein.
»Nicht so hektisch.«
»Sie sollen so schnell wie möglich zu ›Da Fredo‹ kommen, Chef.« Dohm guckte auf seine Uhr. Da waren sie doch erst um 12 Uhr verabredet.
»Und Sie sollen unbemerkt kommen, sagt Ihre Frau.«
»Wie soll ich das denn machen?« Dohm blickte seine Sekretärin ratlos an.
»Na ja, sind ja ungewöhnliche Zeiten. Ich könnte Sie fahren, Herr Dohm. Mit meinem Auto, abgeduckt auf dem Rücksitz?«
»Frau Sandmann, Sie sind ja eine richtige Miss Moneypenny!«
»Also dann, Dohm, James Dohm.«
Während er nun sein Handy suchte, kramte Frau Sandmann nach ihrem Autoschlüssel. Gut, dass sie als Chefsekretärin in der Tiefgarage parken durfte.
11.30 Uhr
Logischerweise war das »Da Fredo« um diese Zeit noch ganz leer. Kein einziger Gast war im Lokal. Dohm musste auch erst einmal laut rufen, bis Alfredo persönlich aus dem Hinterzimmer kam. Natürlich kannte Dohm den Italiener, auch wenn er nicht so oft hier war. Der Blick aus den schräg nach unten abfallenden Fenstern war zwar
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