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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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zusammen. Bruckner hatte seinen Onkel nicht wegen eines Bagatellfalls konsultiert. »Klient wird von Unbekannten erpresst« , stand in der Notiz. Und darunter: »Klient weigert sich, Auskunft über die Höhe des geforderten Löse- oder Schweigegeldes sowie über die Angelegenheit, wegen der er erpresst wird, zu geben«.
    Merkwürdig ist das schon, dachte Fremden, seinen Blick von dem Blatt hebend. Das Vertrauen, das Bruckner seinem Onkel entgegengebracht hatte, konnte nicht allzu groß gewesen sein. Rätselhaft, weshalb er ihn dann überhaupt engagiert hatte.
    Irritiert wandte sich Fremden wieder der Lektüre zu. Im zweiten Teil der Zusammenfassung war lediglich festgehalten, dass die Geldforderung schriftlich und anonym eingegangen war. Ferner, dass Bruckner sich nicht an die Polizei wenden wollte und keinen Verdacht hegte, wer ihn erpresste. Das war verdammt wenig an Information.
    Auf der nächsten Seite klebten Aufnahmen von der Geldübergabe. Sie zeigten eine maskierte, dunkel gekleidete Gestalt, die sich vom Fotografen wegbewegte. Sonst war – bis auf einige Bäume, Gestrüpp und Nachthimmel – nichts zu erkennen. Nur beim letzten Foto handelte es sich um eine Tagaufnahme, auf der der Reifenabdruck eines Motorrads im Waldboden zu sehen war.
    Fremden blätterte zur dritten und letzten Seite im Ordner, einem linierten DIN - A4 -Blatt mit handschriftlichen Notizen. »Geldübergabe gescheitert« , stand mit Kugelschreiber geschrieben in der ersten Zeile. Direkt unter dem Vermerk hing an einem Tesastreifen ein etwa Ein-Euro-Münzen-großer goldener Schmuckanhänger in Form eines Löwen. »An Übergabestelle gefunden« , lautete die dazugehörige Notiz. »Muss aber nicht zwangsläufig mit dem Fall zu tun haben. Vermute mittlerweile, dass die Erpressung in Zusammenhang mit dem Jagdausflug nach Moldawien steht.«
    Fremden stemmte sich aus dem Sessel. Im Arbeitszimmer auf und ab laufend, fasste er in Gedanken zusammen, was er bislang an Informationen zu den damaligen Ermittlungen hatte: Im Sommer 2005 war Hugo Bruckner erpresst worden. Weshalb, blieb im Dunkeln. Die Fotos zeugten davon, dass er bereit gewesen war zu zahlen oder dies zumindest vortäuschen wollte. Die Geldübergabe scheiterte jedoch. Aus welchem Grund, ging aus den Unterlagen nicht hervor. Ebenso wenig, ob zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Übergabe stattgefunden hatte oder nicht. Sein Onkel hatte vermutet, dass die Erpressung mit einem Jagdausflug nach Moldawien zu tun haben könnte.
    Vor dem wuchtigen Schreibtisch aus Eichenholz blieb Fremden stehen. Was bedeuteten diese Erkenntnisse für seine aktuellen Ermittlungen? Auf den ersten Blick tat sich kein Zusammenhang zwischen den Ereignissen auf. Andererseits müsste es sich aber um einen verdammt großen Zufall handeln, wenn Bruckner erst erpresst worden war, um dann, nur wenige Wochen danach, durch einen mysteriösen, unter noch ungeklärten Umständen herbeigeführten Sturz in einen See ums Leben zu kommen.
    Auf einmal meldete sich Fremdens Magen mit einem vernehmlichen Knurren. Mit deutlicher Antipathie erinnerte er sich an die in der Speisekammer lagernden dreizehn Dosen Ravioli. Die mit dem jüngst verstrichenen Mindesthaltbarkeitsdatum erhitzend, versuchte er, seinen Appetit auf die Teigtaschen zu steigern, indem er sich ausmalte, alternativ im »King of Asia« Ameisensuppe, Zikadenspieß und Junikäfersalat essen zu müssen. Wobei ihn allerdings an dieser Vorstellung reizte, die Mahlzeit von Liliana Bode serviert zu bekommen.
    Mit einem tiefen Teller des Nudel-Soßen-Gemischs in der Hand setzte er sich im Wohnzimmer an das Nierentischchen. Auf der Tischplatte lag das Foto, das er von Klaus Bruckner erhalten hatte. Das volle silbergraue Haar sorgfältig zurückgekämmt, blickte Hugo Bruckner mit diesem typischen Mario-Adorf-Lächeln in die Kamera. Fremden legte den Löffel beiseite. Doch es war nicht die Ähnlichkeit zu dem berühmten Schauspieler, die ihn zu der Aufnahme greifen ließ. Irgendwo hatte er das Gesicht schon einmal gesehen. Und zwar vor Kurzem erst. Sekundenbruchteile später war er auf den Beinen. Mit großen Schritten eilte er auf das Spirituosenschränkchen zu. Von der Ablage nahm er das Foto mit den vier Jägern. Ältere Herren in Jägerkluft, die im Halbkreis um einen erlegten Bock posierten. Derjenige, der am linken Bildrand stolz in

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