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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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am Rasthof Bergstraße, verließ er die Autobahn wieder. Fremden vermutete, dass ein Tankstopp anstand. Doch zu seiner Überraschung steuerte der Wasserstoffblonde den Wagen an der Zapfsäulenanlage vorbei auf den Parkplatz des Selbstbedienungsrestaurants zu.
    Im Schutz eines parkenden SUV beobachtete Fremden, wie sich der Mann mit großen Schritten auf die Restauranttür zubewegte. Einen Moment lang überlegte er, ihm zu folgen. Doch das Risiko, entdeckt zu werden, schätzte er als zu hoch ein. Außerdem – was brachte es, wenn er aus allernächster Nähe mitbekam, wie der Mann pinkeln ging, sich die Hände wusch und anschließend an der Theke Kaffee bestellte?
    Den Jackenkragen hochgeschlagen, bezog Fremden stattdessen Position im unbeleuchteten Teil des Arials. Dort, wo im Sommer die Außenbestuhlung aufgebaut wurde. Dank der breiten, bodentiefen Fensterfront hatte er freien Blick in den Gastraum. Das Restaurant war nur mäßig besucht. In Nähe des Eingangs saß eine junge Familie. Die Eltern aßen, während die Kinder lachend durch die Stuhlreihen tobten. Am Nachbartisch unterhielt sich ein Trupp Fernfahrer über halb vollen Biergläsern. Die Heerschar der anderen Trucker, auf die der überfüllte Parkplatz hinwies, hatte sich offenbar bereits in die Kabinen ihrer Lastzüge zurückgezogen.
    Mit einem Tablett in seiner Rechten trat der Wasserstoffblonde an den letzten der Fenstertische. Dort saß bereits ein Mann, der sein Gesicht hinter einer Zeitung verbarg. Gerade als sich Fremden fragte, weshalb sein Peiniger nicht einen der zahlreichen freien Tische wählte, legte der Zeitungsleser seine Lektüre beiseite. Es war Edgar Rosen, der seinen Handlanger mit einer einladenden Geste aufforderte, sich zu ihm zu setzen. Die Trauerkleidung hatte er mittlerweile abgelegt. Zur Stunde trug er wieder seinen elegant geschnittenen kastanienbraunen Nadelstreifenanzug.
    Anfangs war es nur der immerfort lächelnde Rosen, der die Unterhaltung bestritt. Doch nach einer Weile meldete sich auch der andere zu Wort. Fremden ahnte bereits, welchem Zweck das Treffen diente. Das Handy griffbereit, wartete er auf den richtigen Augenblick. Und der kam, als der Wasserstoffblonde die gestohlene Akte aus seiner Jacke zog und sie Rosen übergab.
    Als Fremden dem Astra zur Autobahnauffahrt folgte, sagte ihm sein Bauchgefühl, dass die Reise nicht gleich wieder zurück nach Frankfurt führen würde. Intuitiv spürte er, dass der Abend noch eine weitere Überraschung auf Lager hatte. Und tatsächlich – nach nur wenigen Kilometern bog der Wagen schon wieder von der A 5 ab. Über eine nahezu schnurgerade Bundesstraße ging die Fahrt nach Seeheim-Jugenheim, zu einem mehrgeschossigen Wohnblock am Ortsrand.
    Mit einer Mischung aus Skepsis und Neugierde musterte Fremden den Sechziger-Jahre-Bau, in dem Rosens Scherge verschwunden war. Ein tristes Mietshaus, dessen dunkle Fassade ein Meer von Satellitenschüsseln überzog. Auf zwei Balkonen wurde geraucht, Glutspitzen glimmten hell in der Dunkelheit auf, während hinter den umliegenden Fenstern bläuliches Fernsehlicht flackerte. Vielleicht hatte ihn sein Bauchgefühl in puncto Überraschung auch getäuscht, und der Wasserstoffblonde wohnte einfach nur hier. Einen Moment lang haderte Fremden mit seinem Entschluss, am Rasthof ihm und nicht Rosen gefolgt zu sein. Doch als er ein zweites Mal darüber nachdachte, wusste er, dass die Alternative nicht besser gewesen wäre. Mit seinem Porsche Cayenne hätte ihn Rosen auf der Autobahn garantiert abgehängt. Und schließlich wäre die Spur des Wasserstoffblonden verloren, ließe er ihn erst einmal aus den Augen. Um Druck auf Rosen ausüben zu können, musste er mehr über den Mann in Erfahrung bringen.
    Sich mental erneut auf eine ungewisse Wartezeit einrichtend, stellte Fremden die Rückenlehne des Fahrersitzes in eine flachere Position. Doch gerade als er sie bis zum Anschlag heruntergedreht hatte, ging im Treppenhaus die Flurbeleuchtung an. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Wasserstoffblonde durch die Haustür trat. Ihm folgten vier Frauen, von denen die älteste höchstens Mitte zwanzig war.
    Eine der Frauen trug eine dunkle Steppjacke und eine knallenge Jeans, deren strassbesetzte Nähte in der Dunkelheit glitzerten. Die anderen drei waren in bodenlange Mäntel gehüllt. In weißen High Heels staksten sie über

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