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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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Frau zeigen.«
    Milan Tassen nickte, wobei ihm das rechte Auge diesmal ganz zufiel.
    Nachdem er es wieder geöffnet hatte, hielt er Mannfelds Smartphone mit dem Foto drei, vier Sekunden lang angestrengt in der Hand, bevor er es erschöpft auf die Bettdecke gleiten ließ.
    Â»Ich muss Sie jetzt leider bitten, die Befragung abzubrechen«, meldete sich Dr.   Brunner zu Wort.
    Â»Die Frau … die hab ich mal zusammen mit Selma gesehen«, nuschelte Milan Tassen leise.
    Â»Können Sie sich erinnern, wo und wann das gewesen ist?«
    Â»Ich … ich weiß nicht so …«
    Â»Es tut mir leid, aber ich muss Sie jetzt wirklich bitten zu gehen. Wenn der Gesundheitszustand des Patienten es zulässt, können Sie gern morgen wiederkommen.«
    Â»Nur noch eine einzige Frage«, bat Mannfeld und wandte sich wieder Milan Tassen zu.
    Doch der war mittlerweile eingeschlafen.
    * * *
    Nachdem er sie getötet hatte, riss er sich angewidert Jeans und Pulli vom Leib. In Unterwäsche stolperte er ins Schlafzimmer und durchwühlte den Schrank nach sauberer Kleidung, rannte ins Bad und wischte sich hastig mit dem Waschlappen über das Gesicht. Sich zu duschen brachte er nicht mehr fertig. Obwohl es sich anfühlte, als ob auf jedem Quadratzentimeter seiner Haut Blut klebte.
    Er stürzte aus dem Haus, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Vor der Oper am Willy-Brandt-Platz verlangsamte er seinen Schritt. Schwer atmend blickte er einer davonfahrenden Straßenbahn hinterher. Vor Wochen, als sein Entschluss gereift war, hatte er gehofft, dass er sich am Ende frei fühlen würde. Er schaute in die Richtung, aus der er gekommen war. In seine Wohnung konnte er so schnell nicht zurück. Erst wenn er einen genauen Plan hatte, wie er sich des Problems entledigen konnte. Vielleicht sollte er es aber auch einfach ignorieren. In ein fernes Land gehen und ganz von vorne anfangen.
    Mechanisch, wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, lief er ins Bahnhofsviertel und stand auf einmal vor dem Schaufenster von Pietät Bruckner. Er musste lachen, als er in der Auslage die Urnen und Grableuchten sah. Und das Emailleschild: »Im Sterbefall sind wir für Sie da.«
    Minuten später bog er in die Taunusstraße ein. Vor dem Laufhaus stellte sich ihm ein Koberer in den Weg. Mit klopfendem Herzen machte er sich auf in den zweiten Stock, zu Heidis Tür. Doch es war eine klein gewachsene Thaifrau in Hotpants, die im Türrahmen lehnte und ihn herausfordernd ansah. Ein maskuliner Zug umspielte ihren Mund. Während sie in gebrochenem Deutsch ihr Angebot herunterratterte, überlegte er, ob sie sich nackt als Mann entpuppen würde.
    Â»Where is Heidi?« Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
    Â»Heidi?«
    Â»Yes, Heidi, the girl from Moldavia?«
    Sie antworte mit einem Schulterzucken.
    * * *
    Fremden konnte sich keinen Reim darauf machen, weshalb Rosens Scherge für die Rückfahrt eine andere Route wählte. Nachdem er Bad König in südlicher Richtung verlassen hatte, bog er knapp drei Kilometer weiter auf die kleine Bundesstraße L 3414 ab. Während Fremden dem Astra durch Reichelsheim und über die Hänge des Odenwaldes folgte, spukten ihm allerlei Gedanken durch den Kopf. Die Schlüsselfrage, die sich allmählich herauskristallisierte, war: Hatte der Wasserstoffblonde von Rosen den konkreten Auftrag erhalten, gezielt nach der Akte Bruckner zu suchen? Falls dem so war, drängte sich die Frage auf, weshalb sich der Konzertmanager so brennend für die Erpressung seines ehemaligen Jagdfreundes interessierte. Für einen Fall, der immerhin schon über ein halbes Jahrzehnt zurücklag. Die plausibelste Erklärung schien zu sein, dass Rosen in die Erpressung zumindest verstrickt gewesen war und nun fürchtete, seine Rolle könne ans Licht kommen, wenn Fremden weiter in den alten Kamellen herumstocherte. Deshalb auch der Versuch, ihn im Wald mit der Scheinhinrichtung einzuschüchtern. Nachdenklich fixierte Fremden das Heck des vor ihm fahrenden Wagens. Sollte sich herausstellen, dass es Rosen war, der hinter der damaligen Erpressung steckte, hatte er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit – direkt oder indirekt – auch mit Bruckners tödlichem Sturz in den See zu tun.
    An der Anschlussstelle Bensheim wechselte der Astra von der Bundesstraße auf die A 5 in nördliche Richtung. Schon nach einem Kilometer,

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