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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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dem Main. Müde und aufgekratzt zugleich starrte Born durch die Windschutzscheibe seines Wagens, den er wenige Schritte von der Polizeiabsperrung entfernt geparkt hatte.
    Auch diesmal hatte der Täter die Leiche an einem öffentlich zugänglichen Ort abgelegt. Laut Aussage der Kollegen von der Schutzpolizei auf dem Parkplatz des ehemaligen Druckwasserwerks. In dem denkmalgeschützten Backsteinbau residierte schon seit einigen Jahren ein nach dem Bauwerk benanntes Restaurant. Ein Szenelokal, dessen Betreiber sich glücklich schätzen durften, in der neusten Ausgabe des »Journal Frankfurt« unter den »In-Places« auf Platz eins gelistet zu sein. Hin und wieder riskierte er selbst einen Blick in den beliebten Gastronomieführer. Sein Augenmerk galt jedoch fast ausschließlich den Rubriken »Gut & günstig«, »Garten- & Apfelweinlokale« und »Pizzerien, Orient-Imbisse, Snack & Weck«. Ein feudaler Laden wie das »Druckwasserwerk« kam für seine Ausgehbelange nicht in Frage. Allerdings würde es ihn nicht wundern, wenn Verwöhn-Jan seine Prinzessin zu feierwürdigen Anlässen dorthin ausführte. Beispielsweise nach Ausstrahlung seines hundertsten Schenkelklopfers. Um sie mit Lammkarree und Amarone della Valpolicella abzufüllen, bevor er sie später im Bett, auf dem Sofa, dem Küchentisch oder wahlweise auch auf dem Badvorleger als zweites Dessert vernaschte.
    Bemüht, die in ihm aufkeimende schlechte Laune nicht an die Oberfläche dringen zu lassen, hievte er seine knapp neunzig Kilo Lebendgewicht aus der Fahrertür. Obwohl es in den vergangenen Stunden zu tauen begonnen hatte, wehte ihm vom Fluss her ein unverhältnismäßig kühler Wind ins Gesicht. Fluchend nahm er sich vor, nun doch vom nächsten Sold eine Steppjacke zu kaufen. Am besten eine mit besonders voluminöser Daunenfüllung, ganz gleich, ob er darin aussah wie das berühmte Pirelli-Männchen.
    Als er sich unter dem Absperrband durchbückte, stürmte eine klapperdürre Gestalt in Uniform auf ihn zu. Doch bevor Mr.   Wichtig zu einer Belehrung ansetzen konnte, hielt Born ihm den Dienstausweis unter die Nase und stapfte wortlos an ihm vorüber.
    Die Restaurantparkplätze befanden sich im rückwärtigen Bereich des Areals. Nachdem er um die Ecke des Backsteingebäudes gebogen war, sah er, dass die Kollegen der Kriminaltechnik ihre Arbeit bereits aufgenommen hatten. Auf Stative montierte Scheinwerfer leuchteten das Gelände aus. Stefan Reiter vom Erkennungsdienst machte mit der Digitalkamera Aufnahmen vom Tatort und der Leiche.
    Der Körper der Frau lehnte am Zaun des Heizkraftwerks Mainova. An genau der Stelle, an der das Grundstück des Energieversorgers sowohl an das des ehemaligen Druckwasserwerks als auch an den Fahrradweg am Bahndamm grenzte.
    Born blieb etwa zwei Meter vor der Leiche stehen. Dass es sich bei der Toten um Fátima de Zosa handelte, war so gut wie sicher. Dem rechten Bein fehlte der Unterschenkel. Der Täter hatte ihnen nicht die geringste Chance gelassen, die vermisste Portugiesin lebend zu finden. Der gelösten Totenstarre nach zu urteilen, war der Tod vor mindestens vierundzwanzig Stunden eingetreten. Nicht unwahrscheinlich also, dass die Frau bereits in der Nacht ihres Verschwindens ermordet worden war.
    Bedacht darauf, die Schöße seines Mantels nicht mit dem nassen Boden in Berührung zu bringen, ging Born ein Stück in die Hocke. Der Täter war mit größerer Brutalität ans Werk gegangen als bei den anderen beiden Morden. Davon zeugten der tiefe Schnitt, der über dem Kehlkopf klaffte, die zahlreichen Hämatome auf Gesicht und Armen und der Abdruck auf der Wange, der wie eine Bisswunde aussah. Zudem gab der Zustand der Kleidung Anlass zu der Vermutung, dass die Tat sexuell motiviert gewesen war. Der braun-beige karierte Tweed-Rock des Opfers war bis über die Hüfte hochgezogen. Wollstrümpfe und Slip waren im Intimbereich zerrissen. Angeleuchtet vom grellen Scheinwerferlicht, glitzerten einige Wassertropfen im schwarzen Schamhaar. Soweit es auf den ersten Blick zu erkennen war, wies die Vagina keine äußeren Verletzungen auf. Ob Fátima de Rosa vor ihrem Tod Sex gehabt hatte? Dazu würden sich die Rechtsmediziner zu einem späteren Zeitpunkt äußern. Apropos Rechtsmedizin. Born hob seinen Kopf und schaute sich suchend um. Merkwürdig, dass noch niemand aus Professor

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