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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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ansehen.«
    Fremden reichte ihm das Bild ohne jeglichen Kommentar.
    Â»Was ist denn das?« Bruckner starrte ihn mit seinem weit aufgerissenen Auge an. »Das ist ja absolut ekelhaft. Und das soll Mutter gemalt haben?«
    Â»Die Signatur und der Umstand, dass es sich zwischen all ihren anderen Werken befindet, deutet darauf hin. Ist das auf der Rückseite ihre Handschrift?«
    Bruckner drehte den Bogen um und nickte. Dann ließ er das Blatt auf den Boden sinken und blickte durch die Glasfront in den verschneiten Garten.
    Â»Wissen Sie«, fragte Fremden nach einer Weile vorsichtig, »ob Ihre Mutter nach dem Tod Ihres Vaters eine Bekanntschaft zu einem Mann unterhalten hat?«
    Â»Von was für einem Mann sprechen Sie?«
    Er suchte die Zeichnung mit dem nackten Torso aus dem Stapel. »Vielleicht von dem, der hierauf abgebildet ist.«
    Â»Das scheint mir aber der Körper eines sehr jungen Mannes zu sein. Auf welche Art von Bekanntschaft spielen Sie denn an?«
    Â»Ich könnte mir vorstellen, dass es eine sehr enge war.«
    Â»Eine absurde Idee.« Bruckner schaute ihn mit entrüsteter Miene an. »Den Unfug können Sie sich aus dem Kopf schlagen.«
    Die dicht bewaldeten, schneebedeckten Hügel des Taunus im Rücken, lenkte Fremden den Peugeot über die L 3005 in Richtung Frankfurt. In der Ferne vor ihm tauchte die Skyline mit der in der Sonne glitzernden Spitze des Messeturms auf. Er dachte über Klaus Bruckners empörte Reaktion nach. Rein menschlich gesehen, war die durchaus nachvollziehbar. Wer hörte schon gern, dass sich die eigene Mutter mit einem Liebhaber vergnügt hatte, der um einiges jünger gewesen war als man selbst?
    An der Kreuzung zur Schwalbacher Straße zwang ihn eine rote Ampel zum Anhalten. Zwei in dicke Jacken gehüllte Frauen mit Kinderwagen überquerten die Fahrbahn. Fremden überlegte, was Amelie Bruckner an jenem Novembertag dazu bewogen haben könnte, das Ferienhaus aufzusuchen. Ein marodes Anwesen, in dem gammelige und von Staub überzogene Möbel auf sie warteten. Ihrem Sohn hatte sie vorgegaukelt, eine Freundin in Oberursel zu besuchen. Warum die Heimlichtuerei? Nur um eine Kamera zu holen? Fraglich war, weshalb sie sie überhaupt an diesem unbewohnten Ort zurückgelassen hatte, wenn ihr so viel an ihr lag, dass sie ihren Verlust als »Drama« empfand. Möglich wäre aber auch, dass sie das Fehlen der Kamera nur zufällig bemerkt hatte und aus einem ganz anderen Grund nach Kahl gefahren war. Weil sie verabredet gewesen war. Mit dem jungen Mann, mit dem Vera Kaczorowski sie angeblich schon früher beim Liebesspiel beobachtet hatte.
    * * *
    Ein dezenter Geruch von Lösungsmittel stieg Mannfeld in die Nase, als sie sich im Atelier der Malschule umsah. Die russischstämmige Inhaberin Sonja Romanowa lehnte an einem mit farbverschmierten Paletten und Papierbögen bedeckten Werktisch und telefonierte. Die aggressiv angehauchte Tonlage der Frau ließ darauf schließen, dass sie sich mit ihrem Gesprächspartner stritt. Eine gute Armlänge von ihr entfernt befand sich eine Staffelei mit einem halb fertigen Ölgemälde, das den Uni-Campus am ehemaligen IG -Farben-Haus zeigte. Wenige Schritte neben der Staffelei hockte Kollege Born auf einem Schemel. Er schien sich weder für das Telefonat noch für das Bild zu interessieren. Gedankenverloren starrte er auf das Waschbecken an der Wand. Ein bisschen abzuschalten hatte er sich nach dem ganzen Stress auch verdient. Mannfeld plagte immer noch das schlechte Gewissen, ihn am Morgen nicht unterstützt zu haben. Dass Henry heftigen Durchfall bekommen hatte, hatte sie sich natürlich nicht ausgesucht. Doch sie hätte auf Jans Angebot eingehen können, den Gang zum Kinderarzt für sie zu übernehmen. Mit dem schreienden Wurm auf dem Arm waren dann aber die mütterlichen Instinkte mit ihr durchgegangen. Sie war aus der Wohnung gestürmt und selbst gefahren. Was war die Erleichterung groß gewesen, als Dr.   Neumann Henry ein Zäpfchen verabreichte und versicherte, dass die Ursache für das Wehklagen lediglich ein wunder Po sei. Beschwingt, dass ihren kleinen Augenschein nichts Schlimmeres plagte, hatte sie auf dem Rückweg in der Schweizer Straße angehalten, direkt vor dem »Maison du Pain«, um sich mit einem Café au Lait und einem der fabelhaften Croissants zu belohnen. Erst beim Bezahlen war ihr aufgefallen,

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