Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
wollen mich wohl auf den Arm nehmen? Zeugen? Hier drin? Viel Glück beim Suchen!«
»Na gut, und was ist mit Überwachungskameras? Die –«
»Kaputt. Letzten Donnerstag sollte jemand kommen, um sie zu reparieren, aber bis jetzt ist nichts passiert. Die einzigen, die laufen, sind im Gebäude drin, und von denen funktioniert auch die Hälfte nicht richtig.« Wieder zuckte sie mit den Achseln. »Sie wissen ja, wie das ist.«
»Ich bekomme allmählich einen Eindruck.« Das war eine Sackgasse. Jamie hatte sich Stoff besorgt und seinem Elend ein Ende gemacht. »Wie ist er an die Drogen gekommen?«
»Sie würden staunen, wenn Sie wüssten, was man hier drin alles kaufen kann. Wir tun, was wir können, um zu verhindern, dass das Zeug reingeschmuggelt wird, aber sie finden immer neue Schlupflöcher. An manchen Tagen ist das hier der reinste Pharma-Großmarkt.«
Logan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und starrte an die Decke, während er überlegte, ob er noch irgendeine Frage vergessen hatte. »Hat ihn jemand besucht, nachdem er aus dem Krankenhaus zurück war?« Wie zum Beispiel zwei kräftige Herren aus Edinburgh. Sie wusste es nicht, konnte es aber herausfinden. Ein kurzes Telefonat genügte – die Antwort war Ja – gestern Abend. Jamies Freundin. Das ergab keinen Sinn, und Logan sagte es auch. »Freundin? Wie konnte er eine Freundin haben? Die Liebe seines Lebens war doch gerade erst zu Tode geprügelt worden?«
Zum Glück gehörte das Besuchszimmer zu den wenigen Räumen im Gefängnis mit funktionierenden Überwachungskameras. Logan und Rennie saßen im Monitorraum und starrten auf den flackernden Bildschirm, der ihnen eine Zeitreise zurück zum gestrigen Abend ermöglichte. Zunächst war nur ein leerer Raum zu sehen, eine gerade Reihe von Tischen mit Plastikstühlen auf beiden Seiten. Logan drückte die Fast-Forward-Taste, und horizontale Linien zitterten über die Bildfläche, während das Band sich sirrend vorspulte. In der Ecke tauchte wie aus dem Nichts ein Aufseher auf, und dann huschte der erste Insasse ins Bild, gefolgt von zwei weiteren. Jeder setzte sich so weit weg von den anderen wie nur irgend möglich. Das Sirren verstummte, und nun lief der Film in normalem Tempo. Jamie McKinnon saß hinten links, unter dem Plakat, das die Besucher daran erinnerte, dass sie den Gefangenen nichts zustecken durften. Und dann kam die Freundin; mit dem Rücken zur Kamera humpelte sie ins Bild. Aber Logan musste ihr Gesicht nicht sehen, um zu wissen, wer es war: schwarze Lederjacke, zerrissene Jeans, rosa Igelfrisur. Logan tippte mit dem Finger auf den Bildschirm. »Suzie McKinnon, Jamies Schwester. Wieso haben die gedacht, dass sie seine Freun–« Suzie beugte sich über den Tisch und gab ihrem Bruder einen intensiven, feuchten Zungenkuss. »Oh. Verstehe.«
»Aha«, sagte Rennie, als das Pärchen auseinanderging und beide sich mit dem Ärmel den Mund abwischten. »Sie hat ihm mehr als nur ihre Zunge in den Mund gesteckt.« Nämlich ein kleines Päckchen Drogen, von Mund zu Mund weitergegeben unter dem Deckmantel eines langen, leidenschaftlichen Kusses.
Logan nickte. »Sieht so aus. Kommen Sie, wir müssen ihr sowieso einen Besuch abstatten. Sie ist seine nächste Verwandte.«
Suzie McKinnon war nicht im Park, wo sie sich sonst immer mit den anderen Beratern von König Edward zum Trinken traf – bei diesem Regen wagten sich nicht einmal die unerschütterlichsten der monarchistischen Alkoholiker vor die Tür –, also versuchten sie es mit der Adresse in Ferryhill, zu der sie ihr das letzte Mal gefolgt waren. In der Souterrainwohnung brannte Licht; hell leuchtete es aus den Fenstern in den trüben Nachmittag hinaus. Suzie war zu Hause.
»Okay«, sagte Logan und schnallte sich ab. »Folgender Plan: Ich gehe rein und klopfe. Rennie, Sie warten vor dem Haus wie letztes Mal. Ich will nicht, dass sie durch das vordere Fenster klettert und in den Monsun abdüst.« Er drehte sich zu dem Betreuungsbeamten um, den sie noch rasch am Präsidium aufgelesen hatten – es war derselbe nervöse junge Mann, der auch mit zu Oma Kennedy gefahren war. »Sie postieren sich im Garten und übernehmen den Hinterausgang.« Die Haustür war auch diesmal nicht verschlossen, also ging Logan einfach hinein und tastete sich im Dunkeln die Stufen zur Souterrainwohnung hinunter. Die Glassplitter einer zerbrochenen Glühbirne knirschten unter seinen Sohlen. Die Wohnungstür der McKinnons hatte irgendwann nach seinem letzten Besuch einen
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