Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
hat er das denn hingekriegt?«
Rennie zuckte mit den Achseln. »Sie wissen doch, wie das heutzutage ist – wenn einer das Zeug unbedingt haben will, dann kriegt er es auch irgendwie.«
»Aus dem Krankenhaus hat er es aber nicht mitgebracht, oder?«
»Nein, das hab ich überprüft. Nachdem wir die Drogen in seinem Hintern gefunden hatten, durfte er nicht mal mehr allein auf den Pott. Das muss vielleicht ein toller Job sein, was? In der Ecke stehen, während der Typ sein Ei legt, und aufpassen, dass er nicht irgendwas aus der Schüssel fischt und wieder da reinsteckt, wo es rausgekommen ist.«
Logan lenkte den Wagen auf den Gefängnisparkplatz und stellte ihn zwischen einem Streifenwagen und einem Mercedes der Luxusklasse ab, der ihm nur allzu bekannt vorkam. »Ach du Scheiße …«, murmelte er und starrte missmutig auf Isobels Wagen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt – noch eine, die nur darauf aus war, ihm das Leben schwer zu machen.
Sie fanden sie in der hintersten Ecke des Gefängnishofs. Wie alle Anwesenden in einen kleidsamen weißen Strampelanzug gehüllt, hockte sie vor den verrenkten sterblichen Überresten von Jamie McKinnon. Sie sah ziemlich fertig aus. Die Spusis hatten ein provisorisches Schutzdach über der Leiche errichtet, indem sie Seile zwischen den sechs Meter hohen Mauern gespannt und die blaue Plastikplane darüber drapiert hatten. Ein Versuch, Jamie McKinnons Leiche wenigstens einigermaßen vor dem Regen zu schützen.
Er lag auf der Seite, einen Arm hinter den Rücken gedreht, den anderen übers Gesicht gelegt. Die Verbände an seinen gebrochenen Fingern waren schmutzig und mit Erbrochenem befleckt. Das linke Knie hatte er bis zur Brust angezogen, das rechte Bein zeigte gerade nach Osten. »Okay«, wandte Isobel sich an einen Beamten vom Erkennungsdienst mit einer riesigen Digitalkamera. »Ich möchte, dass Sie alles fotografieren. Speziell die Hände und die Fußsohlen.« Sie blickte auf und sah, wie Logan unter die blaue Plane ins Trockene schlüpfte. Ein finsterer Blick war die einzige Reaktion. »Wenn Sie mit den Bildern fertig sind, bringen Sie ihn ins Leichenschauhaus.« Der Fotograf machte sich an die Arbeit. Ein hartes Klacken, und der grelle Blitz ließ die Regentropfen wie kleine Diamanten funkeln, ehe sie auf dem Boden auftrafen. Isobel stand auf, griff nach ihrer Tasche und strebte auf den Ausgang zu, begleitet von einem Muskelberg in Wärteruniform. Wahrscheinlich sollte er aufpassen, dass sie sich nicht losriss und einen der Insassen zerfleischte.
»Isobel?«, sagte Logan, als sie an ihm vorbeigehen wollte.
»Ja?« Sie blickte stur geradeaus. Sie sah wirklich furchtbar aus: müde und aufgedunsen, als ob sie eine Woche nicht geschlafen hätte.
»Ich muss wissen, was passiert ist.«
Sie starrte ihn missmutig an, warf einen Blick auf ihre Uhr und wandte sich dann zu Jamie McKinnons Leiche um. »Er ist tot. Wie es aussieht, war es eine Überdosis, aber sicher kann ich das erst nach der Obduktion sagen. Du bekommst den vorläufigen Bericht, sobald ich ihn fertig habe.« Ihre Stimme war noch kälter und abweisender als sonst. »Und bis dahin bitte ich dich, mich zu entschuldigen. Ich habe noch anderes zu erledigen.« Sie wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern marschierte einfach davon und ließ ihn stehen. Der Papieroverall machte lustige Flip-flop -Geräusche, bis sie im Gebäude verschwunden war.
»O weh«, meinte Rennie, »da ist wohl jemand ein bisschen frustriert.« Sie schnappten sich zwei neue Spusioveralls und stiegen hinein, während der Fotograf seine restlichen Aufnahmen machte und die anderen sich bereitmachten, die Leiche einzupacken.
»Sollen wir noch ’nen Moment warten?«, fragte der Leiter des Spusiteams, in dessen schmutzig grauem Schnauzbart Wassertropfen glitzerten. »Viel Zeit kann ich Ihnen allerdings nicht geben; dieser Regen macht uns sonst sämtliche Spuren zunichte.« Er klemmte sich den zusammengerollten Leichensack unter den Arm und drückte sich mit seinen Kollegen an die Gefängnismauer, um sich ein wenig vor dem Regenguss zu schützen.
Logan ließ sich vor Jamie in die Hocke fallen. Die alten Blutergüsse waren schon ein wenig verblasst, aber dafür waren neue dazugekommen. Was immer hier ausgeteilt wurde, Jamie schien das meiste davon eingesteckt zu haben. Seine Haare und sein Pullover waren mit Erbrochenem verklebt, und der scharfe Geruch der Magensäure mischte sich nach und nach mit dem Gestank frischen Urins. »Also«, meinte
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