Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
es Zeit für die Nachrichten. Logan drehte das Radio lauter und hörte, dass es in Torry einen schweren Verkehrsunfall gegeben habe, dass für die Bauausschusssitzung am Montag eine weitere Protestveranstaltung angekündigt sei, und dann die Hauptmeldung des Tages: Im Fall der ermordeten Prostituierten wurde eine Person von der Polizei »als Zeuge befragt«. Und dann, welche Überraschung, wandte sich wieder einmal Stadtrat Marshall an die Hörer und versicherte ihnen, dass die Grampian Police hervorragende Arbeit leiste und die Bürgerinnen und Bürger der Stadt nun endlich wieder ruhig schlafen könnten. Was ein bisschen Erpressung von DI Steel so alles bewirken konnte.
Hayleys Wohnung befand sich im zweiten Stock eines dreigeschossigen Mietshauses aus Granit. Vom vorderen Fenster aus musste sie einen herrlichen Blick über den Trinity-Friedhof haben, mit dem Pittodrie-Stadion, der Heimat des phasenweise unterirdisch spielenden FC Aberdeen, im Hintergrund; im Regen ein noch trostloserer Anblick als sonst. Wunderbar.
Er stieg aus dem Wagen und klingelte an der Tür. Niemand öffnete – das hatte er auch nicht anders erwartet. Er versuchte es bei den Nachbarn: Niemand hatte Hayley seit Mittwochmorgen gesehen. Später am Nachmittag würde er noch beim Aberdeener Flughafen anrufen. Vielleicht existierten dort ja Aufzeichnungen darüber, dass sie sich letzte Woche mit Gavin in sonnigere Gefilde abgesetzt hatte. Und falls das nichts brachte, gab es ja immer noch Inverness, Edinburgh, Glasgow, Prestwick …
Wohin sie auch entschwunden waren, sie würden früh genug wieder auftauchen. Braun gebrannt und völlig erledigt vom vielen Vögeln, während Gavins Frau krank vor Sorge zu Hause ausharrte. Was für ein Arschloch. Logan hatte keine große Lust, Mrs. Cruickshank zu eröffnen, dass ihr verschwundener Mustergatte wahrscheinlich nur irgendwo Urlaub machte und sich mit einer anderen Frau vergnügte. Vielleicht könnte er eine nette, sympathische Polizistin dazu überreden, die Nachricht für ihn zu überbringen.
Er hatte gerade gewendet, als sein Handy klingelte. Es war DC Rennie; er rief im Auftrag von DI Steel an, die offenbar noch zu sauer war, um selbst mit ihm zu reden. Jamie McKinnon war tot.
31
Logan sollte DC Rennie vom Präsidium abholen und dann mit ihm ins Gefängnis fahren, Aussagen aufnehmen und darauf achten, dass alles vorschriftsmäßig ablief. Es schüttete immer noch in Strömen, und die dicken Tropfen prasselten auf das Autodach, als er vor dem Hintereingang des Präsidiums anhielt und den Constable mit dem Handy anrief, um ihm zu sagen, dass er auf ihn wartete. Zwei Minuten später ließ Rennie sich auf den Beifahrersitz plumpsen und schüttelte sich. »Was für ein beschissener Scheißtag!« Er fuhr sich mit der Hand durch das nasse Haar und schüttelte sie über der Fußmatte aus. »Hier, die sind für Sie.« Er drückte Logan einen kleinen Stapel gelber Klebezettel in die Hand, von denen jeder einzelne einen Anruf von Mrs. Cruickshank dokumentierte, die wissen wollte, ob sie ihren Mann schon gefunden hatten. Sie musste seit gestern ein halbes Dutzend Mal angerufen haben. Logan stopfte sich die Zettel in die Hosentasche; die Frau würde wohl oder übel warten müssen, bis sie im Gefängnis fertig waren.
Rennie war auffallend still, als sie die Market Street entlangfuhren, vorbei am Hafen, doch Logan sah, wie er ihm immer wieder verstohlene Seitenblicke zuwarf. »Na los, spucken Sie’s schon aus.«
Rennie wurde rot. »Tut mir leid, Sir – ich habe mich bloß gefragt, womit Sie DI Steel so verärgert haben.«
»Wieso?«
»Äh …« Rennie verzog das Gesicht; offensichtlich überlegte er verzweifelt, wie er es möglichst taktvoll formulieren könnte. »Sie sagt, ich soll Ihnen ausrichten: ›Fahren Sie den Karren nicht in den Dreck, sonst sorge ich dafür, dass Sie auch dort landen.‹ Ich schwör’s Ihnen, ich musste ihr versprechen, es Wort für Wort so weiterzugeben.« Er schielte wieder zu Logan herüber. »Tut mir leid …«
»Aha.« Wieso überraschte ihn das jetzt? Bewahret euch vor Weibertücken, oder wie das hieß … »Erzählen Sie mir lieber mal von Jamie. Was ist eigentlich passiert?«
»Sie haben ihn gestern Morgen aus dem Krankenhaus entlassen – er wurde dem Haftrichter vorgeführt, wegen Drogenbesitz angeklagt und gleich nach Craiginches gebracht. Vor einer halben Stunde haben sie ihn auf dem Gefängnishof gefunden. Sie glauben, es war eine Überdosis.«
»Im Knast? Wie
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