Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Ampel sprang auf Grün, und das Vierrad-Ungetüm brauste davon und bog an der Springbank Terrace links ab. Logan sah ihm nach. Als ihm die Antwort immer noch nicht einfallen wollte, zog er sein Handy aus der Tasche und hörte seine Nachrichten ab. Er hatte nur eine – von Brian, Isobels Assistenten: Jamie McKinnons Autopsie war auf vier Uhr verschoben. Dr. MacAlister ging es nicht so gut. Logan klappte das Handy zu und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Es sah Isobel nicht ähnlich, irgendeine Schwäche zu zeigen – damit sie einen Obduktionstermin verschob, musste sie schon halb tot sein. Vier Uhr … Jetzt war es kurz vor zwei. »Also«, sagte er, während er das Handy wieder einsteckte und den Stapel Nachrichten von Mrs. Cruickshank aus der Tasche zog. »Wir haben noch zwei Stunden totzuschlagen, ehe sie Jamie aufschneiden. Ich habe eine Überraschung für Sie: Wir fahren jetzt nach Westhill.«
Westhill war eine stetig wachsende Vorstadtsiedlung sieben Meilen westlich von Aberdeen. Ursprünglich war es nur eine Ansammlung von Schweinefarmen gewesen, bis es in die Klauen der Baulöwen geraten war. Jetzt erstreckte sich die Siedlung von der Hauptstraße bis hinauf zum Hügelkamm und schlang schon ihre backsteingelben Arme um den Golfplatz. Als Rennie den Kreisverkehr am Gewerbegebiet umkurvt hatte und sie in Westhill selbst angekommen waren, hatte der Regen ganz aufgehört, und alles glänzte im warmen Sonnenschein. Im Denham Park hüpfte ein halbes Dutzend Elstern schwatzend und schackernd auf dem Gras herum und stolzierte auf und ab wie Advokaten in ihren Roben, als sie vorbeifuhren. Noch vorbei an einem kleinen Einkaufszentrum, den Berg hinauf und dann links, und schon hatten sie Westhill Gardens erreicht, die Straße, in der der ehebrecherische Mr. Gavin Cruickshank wohnte. Das Haus lag fast am Ende der ringförmigen Straße, auf einem Grundstück, das mit der Rückseite an die Westhill-Oberschule grenzte. Der Vorgarten war makellos, gestaltet mit kreisförmigen Rosenbeeten; an den gelben und rosa Blütenblättern glitzerten Regentropfen in der Sonne. Einbaugarage; rote, teilverglaste Haustür; ein putziges kleines Holzschild mit der geschnitzten Inschrift HIER WOHNEN DIE CRUICKSHANKS . In der ganzen Straße waren die Laternenpfähle mit leuchtend gelben, laminierten DIN-A4-Plakaten geschmückt: ein Foto eines riesigen Labradors, körnig und unscharf vom Fotokopieren, darunter die Worte: WER HAT UNSEREN LIEBLING GESEHEN ??? Die angegebene Adresse war die des Hauses neben dem trauten Heim der Cruickshanks – identisch gebaut, aber bei weitem nicht so gepflegt. Im Garten wucherten Löwenzahn und Klee, die Haustür hätte dringend einen neuen Anstrich gebraucht. Das Garagentor stand offen und gab den Blick frei auf einen rostigen Fiat, umringt von Bergen alter Zeitungen, Farbdosen, leeren Flaschen und Fahrraddteilen. Das Einzige, was so aussah, als könnte es noch funktionieren, war eine riesige Gefriertruhe. »Also, weswegen sind wir nun eigentlich hier?«, fragte Rennie, während er den Wagen abschloss.
Logan deutete auf das Cruickshank-Haus. »Der Mann wird seit Mittwoch vermisst. Die gute Frau glaubt, dass die Nachbarin was damit zu tun hat. Sie weiß nicht, dass ihr Gavin-Schätzchen in der ganzen Stadt die Frauen reihenweise flachgelegt hat – darunter auch eine Nackttänzerin, die die Angewohnheit hat, ohne Vorwarnung in den Urlaub abzuhauen.«
»Sie glauben, er ist bloß mit ihr durchgebrannt?«
Logan kramte die Werbepostkarte des Secret Service aus der Tasche und reichte sie Rennie. »Was meinen Sie?«
Rennie verschlang Hayleys Lederbikini-Figur mit gierigen Blicken. »Boah, nicht schlecht! Die kann jederzeit nackt auf mir rumtanzen, wenn – He!« Logan hatte ihm das Foto wieder weggeschnappt.
»Kommen Sie«, sagte er, als Rennie einen Flunsch zog, »schauen wir doch einfach mal bei der Nachbarin rein, bevor wir der Gattin eröffnen, dass ihr Mann sie nach Strich und Faden betrügt.«
Die Klingel gab nur ein trockenes Klacken von sich, also mussten sie klopfen. Schließlich tauchte eine fluchende Gestalt hinter der gerillten Glasscheibe auf. »Wehe, wenn das wieder diese Pfadfinder-Bälger sind, die mir den Rasen mähen wollen …« Das Gegrummel erstarb, als die Tür geöffnet wurde. Eine zerknitterte Frau im Bademantel starrte sie feindselig an. »Ach, Scheiße, was wolln Sie denn jetzt?« Ihre Haare, braun mit einem vier Zentimeter breiten grauen Streifen am Scheitel, hingen strähnig um
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