Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Thema heute war: » American Pie : spritzige Komödie oder pubertärer Erguss? Erörtern Sie.« Logan ließ sie reden, klemmte seine Schachtel mit den gebrauchten Kondomen unter den Arm und trug sie hinunter in die Leichenhalle, wo sie zur späteren Untersuchung eingefroren werden sollten. Was Staatsanwältinnen sich so alles ausdachten.
Er stieß die große Doppeltür auf und blieb auf den blitzsauberen Fliesen des Sektionssaals stehen. Der gestrige Gestank nach gegrilltem Gammelfleisch war verschwunden, stattdessen roch es nur nach Formalin und Desinfektionsspray mit Tannenduft. Eine wohlbekannte weibliche Gestalt stand mit dem Rücken zur Tür und stocherte in einem Eimer herum, der auf dem Seziertisch stand. Logans Stimmung sackte noch ein Stück tiefer.
»Morgen«, sagte er, worauf sie sich umdrehte und ihn ansah.
Dr. Isobel McAlister, die Eiskönigin, Leiterin der Rechtsmedizin, Exfreundin, Leidensgenossin. Sie sah schon wesentlich besser aus als gestern früh: ihre schicke Kurzhaarfrisur mit einer grünen OP-Haube verhüllt, die perfekt geschwungenen Lippen hinter einem grünen Mundschutz verborgen. Sie errötete. Wie üblich war sie gekleidet, als käme sie gerade von einer Modenschau: cremefarbenes Leinenkostüm, Seidenbluse und hellbraune Lederstiefel, darüber der offene Laborkittel. Ihre goldenen Ringe zeichneten sich unter den Latexhandschuhen ab. Offensichtlich hatte sie nicht vor, in dieser Montur irgendein armes Schwein zu zersäbeln. »Guten Morgen«, sagte sie nach einer verlegenen Pause. »Wie geht es dir?«
Logan zuckte mit den Achseln. »Wie immer. Und dir – schon ein bisschen besser?«
Einen Sekundenbruchteil lang wirkte sie verwirrt, dann fiel der Groschen. »Ach so, wegen gestern …« Jetzt war sie dran mit Achselzucken. »Das war nur so eine Magen-Darm-Geschichte.«
»Ach du Scheiße, das ist ja zum Kotzen«, sagte er. »Pardon, blöder Witz.«
Damit entlockte er ihr fast ein Lächeln. »Wolltest du irgendetwas Bestimmtes, oder bist du nur gekommen, um dir eine Ohrfeige abzuholen?«
»Nein, es ist rein dienstlich …« Logan drehte sich um und spähte verstohlen in Isobels Eimer: ein menschliches Gehirn, das verkehrt herum in Formalin schwamm. Die Konservierungsflüssigkeit wurde um die gelblich grauen Windungen herum schon ein wenig milchig. Er unterdrückte ein Schaudern und knallte seinen Pappkarton neben dem Eimer auf den Tisch. »Ich hab ein Geschenk für dich.«
Isobel zog eine Augenbraue hoch, fischte einen der kleinen Plastikbeutel heraus und hielt ihn ans Licht, um den schleimigen Inhalt besser sehen zu können. Ein Lächeln blitzte ihn ihren Augen auf. »Wie rührend«, sagte sie. »Gebrauchte Präservative. Da soll noch einer sagen, es gäbe keine Romantik mehr …« Sie kramte in der Schachtel. »Das müssen ja ein paar hundert sein. Du wirst noch blind werden.«
Jetzt war es Logan, der rot anlief. »Die sind nicht von mir. Es geht um den Fall Rosie Williams. Das sind sämtliche Kondome, die wir in der Shore Lane finden konnten. Sie sollen zwecks DNS-Analyse aufbewahrt werden.«
Isobel schüttelte ungläubig den Kopf. »Bist du wahnsinnig geworden? Weißt du, wie lange es dauert, die DNS aus zweihundert Kondomen zu bestimmen? Das wird ein Vermögen kosten! «
Logan hielt abwehrend die Hände hoch. »Schau nicht mich an – das war die Idee dieser neuen stellvertretenden Staatsanwältin.«
Isobel seufzte und fegte unter halblauten Flüchen den Pappkarton vom Seziertisch, um den Inhalt in einen großen Beweismittelbeutel zu kippen. Sie quittierte Logan die Übergabe und warf die Kondomsammlung in einen Gefrierschrank für Proben. Danach blieb nichts mehr zu sagen.
DI Steel kam um Viertel vor acht angedackelt. Sie sah aus, als hätte sie in einem Aschenbecher übernachtet. Nachdem sie sich gähnend, rauchend und Kaffee trinkend durch die hastig neu angesetzte Einsatzbesprechung geschleppt hatte, schickte sie ihre Schäflein los, nicht ohne ihnen den üblichen Spruch über ihre angebliche Unfähigkeit, Mist zu bauen, mit auf den Weg gegeben zu haben. Nur Logan behielt sie da. Mit ihm hatte sie noch etwas vor: Sie würden sich auf die Suche nach Jamie McKinnon machen.
Vor dem Präsidium schien die Sonne munter aus einem strahlend blauen Himmel auf Aberdeen herab. DI Steel ging voran, als sie die Stufen zur Queen Street hinunterstiegen. Sie nahmen keinen Wagen, stattdessen spazierten sie die Union Street entlang und genossen die spätsommerliche Wärme. Wenn das Wetter
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