Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
zu erklimmen. Jamie rannte schon über das vergilbte Gras, als wäre der Teufel hinter ihm her, schnurstracks auf die zwei Meter hohe Grundstücksmauer zu, hinter der die nächste Reihe von Wohnblocks lag. Logan biss die Zähne zusammen und setzte ihm nach.
Und diesmal hatte er ausnahmsweise einmal Glück: Als Jamie fast schon in Sprungweite zur Mauer war, verhedderte er sich mit dem Fuß im losen Ende einer Wäscheleine. Er fiel der Länge nach hin und knallte mit dem Gesicht voll auf ein rotes Plastik-Feuerwehrauto, das irgendein Kind im Garten hatte stehen lassen. Fluchend hielt er sich die Nase, und das Blut rann ihm durch die Finger, während er mühsam auf die Beine zu kommen versuchte. Er hatte es gerade geschafft, als Logan sich auf ihn stürzte und sie beide auf dem schmutzig gelben Gras landeten.
Die Wucht des Aufpralls ließ die Narben in Logans Bauch im Chor aufjaulen, und er sog mit schmerzverzerrtem Gesicht die Luft durch die Zähne ein, während Jamie sich aufrappelte und mit einem Satz auf der Gartenmauer war. Er hatte schon ein Bein auf die andere Seite geschwungen, als Logan das andere packte und ihn wieder herunterzog. Jamie blieb mit dem Kinn an der Mauerkrone hängen, und sein Kopf schnellte nach hinten, während er herunterpurzelte und mitten in einem Rosenstrauch landete, der am Fuß der Mauer wuchs. Eine Wolke rosafarbener Blütenblätter stob auf, als er seinen Sturz mit dem Gesicht abfing.
Schwer atmend warf sich Logan auf ihn, drehte ihm den Arm auf den Rücken und ließ die Handschellen einschnappen. Während das Gefluche losging, sank Logan mit dem Rücken an die Mauer und versuchte sich einzureden, dass sein Bauch gar nicht so furchtbar wehtat, wie er meinte. Als die Schmerzen endlich nachließen, zerrte er Jamie hoch.
Die bei Burger King würden nicht gerade begeistert sein, wenn sie sahen, was mit ihrer Uniform passiert war. Das Blut strömte nur so aus Jamies zerquetschter Nase und seinen geplatzten Lippen, und sein Gesicht war von einem Netz feiner Kratzer überzogen, aus denen kleine rote Tröpfchen sickerten. Er sah aus, als hätte er zehn Runden mit Mike Tysons Katze hinter sich. Fluchend spuckte er einen Mund voll Blut in den Rosenstrauch. »Scheiße, wegen Ihnen hab ich mir auf die Zunge gebissen!«
»Mensch, Logan!«, sagte Steel, als er Jamie endlich in die Küche der Souterrainwohnung zurückgeschleift hatte. »Verhaften, hab ich gesagt, nicht verdreschen.«
Ein verschlagener Ausdruck schlich sich in Jamies ramponierte Visage ein. »Ja, ey, er hat mich verprügelt! Polizeibrutalität! Ich will meinen Anwalt! Ich werde euch Schweine verklagen, dass ihr eures Lebens nicht mehr froh werdet!«
Steel sagte ihm, er solle die Klappe halten. Suzie hockte auf der Kante einer abgewetzten Couch und pulte mit dem Finger in einem immer größer werdenden Loch im Bezug herum, sodass die zahnsteingelbe Schaumgummifüllung zum Vorschein kam. Sie sah niemandem in die Augen.
»Du blöde Kuh!« Jamie spuckte noch eine Portion Blut auf den Teppich. »Du hast sie direkt hierhergeführt!«
Suzie bohrte schweigend weiter.
»Na schön, Freundchen.« Steel kramte eine zerknautschte Zigarettenschachtel aus der Tasche, zündete sich eine an und ließ befriedigt den Rauch aus ihren Nüstern quellen. »Du hast wohl nichts dagegen, wenn wir uns bei dir mal ein bisschen umsehen.«
»Da hab ich sehr wohl was dagegen!«
Steels Grinsen wurde noch breiter. »Dein Pech – wir haben nämlich einen Durchsuchungsbefehl.« Sie schnippte ein graues Aschebröckchen auf den Couchtisch. »Willst du uns noch irgendwas sagen, bevor wir unseren Rundgang beginnen?« Schweigen. »Nein?« Noch mehr Schweigen. »Ganz sicher?« Draußen rumpelte ein Lkw vorbei. »Okay, du bist der Boss.«
Natürlich machte Steel sich bei der Hausdurchsuchung nicht selbst die Hände schmutzig. Wozu hatte sie schließlich einen Detective Sergeant und einen Detective Constable dabei? Sie fanden zwei kleine Briefchen Heroin, eine halb leere Packung Einwegspritzen und einen Klumpen Cannabisharz von der Größe eines Mars-Riegels. Es war Logan, der den Karton voller Uniformen im Schlafzimmerschrank entdeckte.
Zurück im Wohnzimmer, fragte er Jamie, wie sich seine Karriere in der Fastfoodbranche entwickle. Jamie starrte ihn nur finster an. Seine Nase hatte aufgehört zu bluten, und die untere Hälfte seines Gesichts war mit einer rötlich-braunen Kruste bedeckt, die sein kleines Ziegenbärtchen ebenso stachlig machte wie seine
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