Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
hinunter zum Waldweg, ein breites Grinsen im Gesicht. Nach seiner Uhr war es zehn vor eins. Wenn er und DI Steel sich beeilten, könnten sie rechtzeitig zurück im Präsidium sein, um noch einen Happen zu essen, ehe Isobel um halb mit der Leichenschau begann. Er nahm eine Abkürzung und stieg mühsam den Hang zwischen dem Waldweg und der Lichtung mit den gruseligen Skulpturen hinauf. Als er oben ankam, begann der Nebel plötzlich golden zu schimmern. Ein einzelner Sonnenstrahl hatte das weiße Einerlei durchbrochen und tauchte den Rand der Lichtung in helles Licht, dort, wo gerade zwei Männer in schwarzen Anzügen den blauen Plastikleichensack in einen Metallsarg packten, um die Tote ins Leichenschauhaus zu transportieren. DI Steel sprach mit der Staatsanwältin, zeigte ihr etwas und begleitete ihre Antworten mit ernsthaftem Nicken. Logan wartete im Hintergrund, während sie den Tatort in allen Einzelheiten besprachen. Da hörte er plötzlich ein Hüsteln, und als er sich umdrehte, sah er die neue stellvertretende Staatsanwältin in voller Schutzkleidung neben sich stehen. Nur ein paar Locken lugten unter dem Gummizug der Kapuze hervor und rahmten ihr Gesicht ein, und ihre grünen Augen blitzten über der Maske. »Wie läuft die Suchaktion?«, fragte sie. Logan erstattete ihr Bericht, wobei er die obszöne Flucherei und WPC Buchans Sturz wohlweislich ausließ. Als er geendet hatte, nickte Rachael, als hätte sie nichts anderes erwartet. »Verstehe …« Eine lange, gedankenschwere Pause. »Was denken Sie über die Handtasche?«
»Sie meinen, warum er sie zurückgelassen hat?« Er überlegte einen Moment. »Zwei Möglichkeiten: Entweder wollte er uns eine Botschaft hinterlassen – irgendetwas in der Tasche, oder etwas, das nicht mehr in der Tasche ist, soll uns irgendetwas sagen –, oder aber Möglichkeit zwei: Es war ein Fehler. Vielleicht hat sie die Tasche nach ihm geworfen, und er konnte sie im Dunkeln nicht wiederfinden, nachdem er mit ihr fertig war. Oder sie hat sie fallen lassen, als sie zu fliehen versuchte …« Er zuckte mit den Achseln. »Bei nur zwei Leichen ist es schwierig, zu erkennen, was Teil des Musters ist und was nicht.«
» Nur zwei Leichen? Mein Gott.« Rachael blickte zum Tatort hinüber, mit den zerfledderten Wisenten, dem kleinen Steg aus Metallplatten, dem kreuz und quer gespannten Absperrband. »Wie viele brauchen wir denn noch?« Er wollte ihr gerade antworten, als DI Steel ihn zu sich winkte und er seinen Lagebericht noch einmal von vorne herunterbeten musste: Niemand hatte irgendetwas gefunden.
»Es war von Anfang an ziemlich aussichtslos«, sagte Steel zur Staatsanwältin, »bei einem Tatort, der so lange Wind und Wetter ausgesetzt war, aber ich wollte einfach nicht riskieren, dass wir irgendetwas übersehen.« Sie straffte die Schultern und reckte das spitze Kinn in die Höhe, sodass sich der Hauptlappen darunter spannte. »Da draußen läuft ein Killer frei herum, und ich schwöre, wir werden das Schwein schnappen.«
Logan versuchte, nicht zu würgen. Das war bei weitem die abgedroschenste Phrase, die er in der ganzen Woche zu hören bekommen hatte. Aber die Staatsanwältin schien beeindruckt. Auch sie nahm eine entschlossene Haltung ein, forderte die beiden auf, sie auf dem Laufenden zu halten – wenn es irgendetwas gäbe, das sie tun könnte, etc. –, und entschwand mit ihrer Stellvertreterin. Rachael drehte sich noch einmal um, Logan fing einen Blick aus ihren smaragdgrünen Augen auf, und dann war sie weg. Er sah ihr nach, bis der Nebel sie verschluckt hatte, und sagte dann: »Na, jetzt haben Sie aber ganz schön dick aufgetragen, was?«
Steel zuckte mit den Achseln und zog eine leere Zigarettenschachtel aus der Tasche. Sie schüttelte sie und spähte hinein, als könnte sie ihr damit auf wundersame Weise noch ein paar Kippen entlocken. »In unserer Situation brauchen wir alle Freunde, die wir finden können. Jetzt werden die Staatsanwältin und Madame Wuschelköpfchen zum Polizeipräsidenten gehen und ihm erzählen, dass wir hier nicht bloß Scheiße bauen. Dass wir streng nach Vorschrift vorgehen.« Sie lächelte und zerdrückte die leere Packung in der Hand. »Es läuft gut für uns, das habe ich im Urin.«
»Ihnen ist natürlich klar, was das bedeutet – nämlich, dass Jamie McKinnon nicht unser Serienmörder ist«, sagte er und sah den Bestattern nach, wie sie den Sarg von der Lichtung trugen. »Wenn das Opfer seit drei Tagen tot ist, dann ist es am Freitag
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