Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
zusammenbrach. Der Freund drehte sich um und rannte ins Haus. Er habe genug, er werde sie verlassen, schrie er und knallte die Tür hinter sich zu.
Das war das letzte Mal, dass Ailsa ihn sah.
Das schreckliche Weib wälzte sich auf den Rücken, wie ein gestrandeter Wal im Jogginganzug, und begann zu schnarchen. Ailsa schauderte – ob sie die Polizei rufen sollte?
Aber sie tat es nicht. Stattdessen griff sie zum Geschirrtuch und begann abzutrocknen.
Die Krankenschwester, die Jamie McKinnons Finger verarztet hatte, war nicht gerade die attraktivste Frau, die jemals die blaue Tracht getragen hatte: braune Kurzhaarfrisur, schiefe Nase, spitze Ohren und dünne Lippen – aber DI Steel war gleich ganz hin und weg. Sie saß auf der Kante des Schreibtischs im Schwesternzimmer und schenkte der jungen Frau ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, während diese ihnen alles über Jamie McKinnons gestrigen Besuch erzählte. Zwei Männer, beide ordentlich gekleidet, mit Anzügen. Einer mit blendendem Gebiss und kurzen blonden Haaren, der andere mit schulterlangen schwarzen Haaren und Schnauzbart.
In Logans Hinterkopf begann ein kleines Alarmglöckchen zu läuten. »Sie haben nicht zufällig mit Edinburgher Akzent gesprochen, oder?«
Doch, hatten sie.
Steel protestierte zwar, doch schließlich gelang es Logan, sie vom Schwesternzimmer loszueisen und zum Überwachungsraum des Krankenhauses zu schleppen, wo ein einsamer Wachmann vor einer Konsole mit Monitoren saß. Er trug die standardmäßige kackbraune Uniform mit Messingknöpfen und diesen gelben Besätzen, die eine befremdliche Ähnlichkeit mit Maiskörnern hatten. Es war ein bisschen Überredung nötig, aber schließlich war er bereit, ihnen die Bänder vom Vorabend zu zeigen. In Jamie McKinnons Station gab es zwar keine Kamera, dafür aber in einem Flur nicht weit davon. Logan ließ das Video im Schnelldurchlauf abspielen und verfolgte das Geflimmer auf dem Bildschirm, das einen Abend im Leben des Krankenhausflurs darstellte. Das System war so eingestellt, dass die Kamera nur alle zwei Sekunden ein Bild machte, und die Ärzte, Schwestern und Besucher, die vorbeikamen, vollführten ein groteskes Zeitraffer-Ballett. Zwei große Gestalten rückten mit zackigen Bewegungen ins Bild, sausten den Korridor entlang und verschwanden plötzlich in Jamies Krankensaal. Die Zeitanzeige am unteren Bildschirmrand stand auf 22.17 Uhr. Die reguläre Besuchszeit endete um acht. Als sie wieder herauskamen, stand die Anzeige auf 22.31. Vierzehn Minuten, um Jamie McKinnon die Finger zu brechen und seine Schwester zu bedrohen. Logan drückte die Pausentaste. Jetzt gingen die zwei Gestalten auf die Kamera zu, und ihre Gesichter waren klar zu erkennen. Die Bildqualität war nicht berauschend, aber gut genug: Der Typ mit den kurzen blonden Haaren war kein Geringerer als der »Investment-Manager«, mit dem Miller sich zum Frühstück im Pub getroffen hatte. Und der Mann an seiner Seite glich aufs Haar dem Fahrer, der vor dem Lokal im Wagen gewartet hatte, während Miller sich einverstanden erklärt hatte, in seiner Zeitung Werbung für das neueste Großprojekt von McLennan Homes zu machen. »Bingo!«
»Was?« Steel war in ihrem Stuhl zusammengesackt; sie hatte den mechanischen Tanz der Gestalten auf dem Monitor nur mit halbem Auge verfolgt.
»Der da«, sagte Logan und tippte mit dem Finger auf den Bildschirm. »Arbeitet für Malcolm McLennan.«
DI Steel fluchte. »Sind Sie sicher?«
»Ja. Das bedeutet, dass alles, was Ihr Kumpel Jamie McKinnon aus dem Arsch zieht, Eigentum von Malk the Knife ist.«
19
Elf Uhr, und sie saßen wieder im Wagen, unterwegs zum Redaktionsgebäude von Aberdeens größter Lokalzeitung. DI Steel saß auf dem Beifahrersitz und pulte an ihrem Daumennagel herum. Ihre Miene drückte widerstreitende Gefühle aus.
Jamie McKinnon wurde jetzt streng bewacht – nicht einmal Pinkelpausen waren erlaubt, bis Steels Kumpel vom Drogendezernat mit dem langen Gummihandschuh anrückte. Sie war fest entschlossen, den zwei Gangstern aus dem sonnigen Süden Schottlands etwas anzuhängen. Das Problem würde sein, genug Material für eine Anklage zusammenzubekommen. Irgendwie konnte Logan nicht glauben, dass Jamie McKinnon den Mumm haben würde, vor den Richter zu treten und zu sagen: »Ja, Euer Ehren, das sind die Männer, die mir sechs Kilo Heroin in den Hintern geschoben haben.« Nicht, wenn er verhindern wollte, dass seine Leiche irgendwo in den Grampian Hills verscharrt würde. Aber man
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