Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
hinzu, als sie wieder die Stirn runzelte.
»Ist für mich auch schon eine Weile her. Ich bin geschieden. Ich glaube, das habe ich gestern Abend schon erzählt. Er ist mit einem jüngeren, schlankeren Modell durchgebrannt.« In ihrer Stimme schwang Wut. »Was ist deine Geschichte?«
Sie unterhielten sich. Das Tauwetter hielt an. Sie aßen zu Ende. Sie legte das Besteck über Kreuz auf den Teller, tupfte sich den Mund mit der Serviette ab. »Okay, du hast mich zum Essen eingeladen. Entschuldigung angenommen. Und jetzt erzähl mir von diesem DS O’Byrne. Warum willst du mit ihm Kontakt aufnehmen?«
»Kannst du dich noch an den Vogelscheuchen-Prozess erinnern?«
»Meinst du das ernst?«
Es war eine blöde Frage. Nach den ersten Morden war die ganze Region in Aufruhr gewesen, bei jeder neuen Leiche die Fieberkurve nach oben geschnellt. Vor den Schultoren drängelten sich die Autos der Eltern, die ihre Kinder abholten; auf den Straßen der Städte war weit vor Einbruch der Dunkelheit kein einziges Kind mehr zu sehen. Die nationalen Zeitungen waren nicht ganz unschuldig daran, sie hatten die Öffentlichkeit aufgestachelt. Doch schon bald war aus der Angst Wut geworden. Jemand zündete das Haus eines alten Mannes an, weil der angeblich Schulmädchen auf ihrem Nachhauseweg anglotzte. Ein junger Mann wurde halb ohnmächtig geschlagen aufgefunden, auf seine Stirn hatte man mit Magic Marker das Wort »Perverser« geschrieben.
Danny beugte sich über den Tisch und versuchte, ihr die Dringlichkeit klarzumachen. »O’Byrne war der Aussagenprüfer bei den polizeilichen Ermittlungen zum Vogelscheuchen-Prozess. Er ist allerdings nicht mehr bei der Truppe. Ich muss mit ihm sprechen.«
»Warum?«
»Ich habe an der Geschichte gearbeitet, als es hier passierte. Und jetzt ist in Spanien etwas Ähnliches geschehen.«
Sie schien noch nicht überzeugt zu sein. Es war Zeit für die schweren Geschütze. Danny zog Paco Pinos Fotos der Leiche in der Wand von Alan Reades Haus heraus. Marsha schrie auf, als ihr klar wurde, was das war. Die Leute im Pub drehten sich zu ihnen um. Danny steckte das Foto wieder weg.
»Es ist identisch, Marsha. Die Leichen der Vogelscheuchen-Morde sahen genauso aus.«
»Aber sie haben den Mörder doch geschnappt. Ich habe es im TV gesehen. Irgendein Vertanness. Er sitzt in Deepmere. Man hat bewiesen, dass er es war.«
»Ich weiß. Deshalb muss ich ja mit Harry O’Byrne reden. Als Aussagenprüfer hatte er den Überblick über die gesamte Ermittlung. Ich muss mich unbedingt mit ihm unterhalten. Aber niemand gibt einem Zivilisten die Adresse eines Expolizisten.«
Sie überlegte. »Es wäre völlig unprofessionell von mir. Warum gehst du nicht einfach zur Polizei und erzählst denen, was Sache ist?«
»Weil das meine Geschichte ist. Ob du es glaubst oder nicht, einige aus der Truppe verkaufen Informationen an Zeitungen. Ein Wort im falschen Ohr, und nach ein paar Tagen steht alles auf den Titelseiten der nationalen Presse. Außerdem könnte es eine Sackgasse sein. Vielleicht hat irgendein Verrückter vom Vogelscheuchen-Prozess gelesen und beschlossen, die Morde zu kopieren.«
Der Abschied gestaltete sich etwas peinlich: Danny vergaß, wo er war, und versuchte, ihr die beiden Luftküsse zu geben, die in Spanien üblich waren. Marsha schreckte kurz zurück und versuchte dann, ihn in dem Augenblick, als er sich entschuldigte, auf den Mund zu küssen. Er wollte den Kuss erwidern, aber es war zu spät. »Ich muss jetzt nach Guildford zur Arbeit. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Mit gerötetem Gesicht und verwirrter Miene eilte sie davon.
Danny sah ihr nach und fragte sich, wer, zum Teufel, das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, Spanier könnten gut mit Frauen umgehen. Muss derjenige gewesen sein, der die Welt auch davon überzeugt hat, die Engländer wären pünktlich und organisiert , dachte er, als er sein Bier austrank.
8
Er konnte nichts anderes tun als warten. Marsha würde ihm entweder helfen oder eben nicht.
Danny rief die Psychiatriestiftung an, die das Krankenhaus Deepmere betrieb, und sprach mit der Pressesprecherin. Nein, sagte sie auf eine Art, die klang, als hätte Danny selbst psychiatrische Betreuung nötig, es sei absolut unmöglich, dass ein Mitglied der Presse mit einem so schwerwiegend gestörten Patienten wie Ishmael Vertanness sprechen könne. Auch werde es keinem Mitglied seines Betreuungsteams gestattet sein, über den Fall zu sprechen.
Das war keine Überraschung. Manchmal
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