Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
einschlagen. »Was halten Sie von psychologischer Profilierung?«
O’Byrne zuckte leicht die Achseln. »Sie ist mit Sicherheit keine exakte Wissenschaft, wie sie in Büchern und Filmen dargestellt wird. Aber sie ist ein Hilfsmittel, das die Polizei nutzen kann, eins, das meiner Meinung nach sehr hilfreich sein kann, wenn es mit der gebührenden Diskretion angewandt wird.«
»Kennen Sie den forensischen Psychologen, der beim Vogelscheuchen-Prozess konsultiert wurde?«
O’Byrne war zu gewieft, um sich überrumpeln zu lassen. »Warum?«
»Wissen Sie, wer zurzeit der verantwortliche Direktor der Hochsicherheitsabteilung im psychiatrischen Krankenhaus Deepmere ist?«
»Die Person, die sie leitet.«
»Ich meine seinen Namen: Edward Shelley.«
Wieder verriet O’Byrnes Miene nichts. »Was ist mit ihm?«
»Nach den Unterlagen des Vogelscheuchen-Prozesses wurde er als Berater hinzugezogen, um ein psychologisches Profil von Vertanness zu erstellen.«
»Worauf wollen Sie hinaus?« Die plötzliche Schärfe in O’Byrnes Stimme bedeutete, dass er genau wusste, worauf Danny hinauswollte.
»Sie müssen ihn kennen oder mit ihm in Kontakt gewesen sein.«
»Ich werde ihn nicht anrufen und um einen Gefallen bitten.«
»Ach kommen Sie. Sie kennen die Indizien. Lassen Sie mich doch wenigstens versuchen, mit Vertanness zu reden. Vielleicht ist er in all den Jahren weicher geworden und jetzt bereit zu reden.«
O’Byrne lehnte die Unterarme an die Tischkante und drückte die Fingerspitzen aneinander. »Mr. Sanchez, Ishmael Vertanness ist ein Monster, das schlimmste, das ich in meinen siebenundzwanzig Jahren bei der Polizei gesehen habe – und ich habe bei Gott einige gesehen. Doch Vertanness spielt in einer eigenen Liga. Er wird nie und nimmer weicher werden. Er hat nichts, was weich werden könnte. Ich weiß, dass Begriffe wie ›böse‹ unmodern geworden sind, aber wenn es das Böse gibt, dann ist es in Vertanness’ Seele. Er ist ganz einfach nicht menschlich.«
»Versuchen Sie es einfach. Mehr verlange ich nicht.«
O’Byrne verdrehte die Augen. »Okay. Ich rufe Shelley an, mal sehen, was er sagt. Aber ich bitte nur ungern Leute um einen Gefallen, mit denen ich …«
Die Tür zum Wintergarten glitt auf, und Mrs. O’Byrne trug ein Tablett mit Tee und Keksen herein.
»Ich weiß ja nicht, wie Sie ihn trinken, Mr. Sanchez, deshalb habe ich … o mein Gott. «
O’Byrne hatte sich blitzschnell bewegt, als die Tür aufging, aber er war nicht schnell genug, um alle Fotos zusammenzuraffen. Mrs. O’Byrnes Hände flogen vor ihr entsetztes Gesicht. Danny hob die strumpfsockigen Füße, als das Tablett auf den Boden krachte. Teekanne, Tassen und Unterteller zerbrachen.
»Du hättest klopfen sollen, meine Liebe.« O’Byrne stand auf und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ich hole Mopp und Besen.«
Muriel O’Byrne stand reglos inmitten der Scherben. Dann wandte sie sich Danny zu. Die Feindseligkeit, die er bei seiner Ankunft gespürt hatte, war jetzt unverkennbar.
»Harry hat ein schwaches Herz. Das würde er Ihnen allerdings nie sagen. Ihr Männer sagt doch nie etwas, wenn ihr krank seid, oder? Zu stolz. Deshalb hat er das alles ja hinter sich gelassen.« Sie deutete zum Tisch. »Er darf sich nicht aufregen.« Mrs. O’Byrne stürzte aus dem Zimmer.
Danny fing an, den Tee mit Küchentüchern aufzusaugen, stellte aber rasch fest, dass es nichts brachte. Es war erstaunlich, wie weit eine Flüssigkeit sich ausbreiten konnte. Der Gedanke brachte ihn wieder auf die Fotos, die er eben gesehen hatte.
Danny schnellte hoch und fischte sich die Kamera aus seiner Tasche. Eine zweite Chance würde er nicht bekommen. Er öffnete den Ordner, zog die Opferfotos heraus und fotografierte eins, zwei, drei, dann hörte er Schritte. Seine Kamera steckte schon wieder in seiner Tasche, als O’Byrne hereinkam.
Dannys Blick wanderte unwillkürlich zum Ordner. Die Fotos standen noch halb heraus. O’Byrne folgte seinem Blick und runzelte die Stirn.
»Ich möchte, dass Sie jetzt gehen. Ich rufe Shelley für Sie an, aber damit hat sich’s, okay? Ich will nicht, dass Sie mich je wieder belästigen.«
11
Danny fuhr nach Fleet zurück. Es war schon deutlich nach Mittag, aber O’Byrne hatte recht gehabt: Essen war das Letzte, was er jetzt wollte. Er parkte im Stadtzentrum und rauchte eine Zigarette. Schon nach wenigen Zügen war sie verschwunden: Das passierte immer, wenn er nervös war.
Jetzt kam er nicht mehr darum herum. Er
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