Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
Benutzernamen und Passwort besorgt haben?«
»Ich vermute, das ist möglich. Doch es hätte ihm nicht viel gebracht. Die Computer waren damals ja noch nicht mit dem Internet verbunden. Um auf Informationen zuzugreifen, musste der Benutzer wirklich persönlich vor dem Rechner sitzen.«
»Und das würde heißen, er müsste in die psychologische Fakultät kommen?«
Humphries nickte. »Was unmöglich gewesen wäre, weil immer jemand hier war.«
»Wurde Adrian befragt?«
»Natürlich. Anfangs versuchten wir, die Sache unter der Decke zu halten, aber dann bekam die Presse Wind davon, und die Polizei interessierte sich dafür.«
»Was sagte Adrian?«
»Er beharrte auf seiner Unschuld. Wir boten ihm einen Ausweg an: Er musste nur die Diskette mit den Daten zurückgeben. Doch er blieb dabei, er wisse von nichts.«
»Seine Eltern erwähnten, dass er zu der Zeit Schwierigkeiten mit seiner Freundin hatte. Glauben Sie, das könnte Adrians Verhalten beeinflusst haben?«
»Also wirklich, was für eine absurde Frage. Woher um alles in der Welt soll ich das wissen? Das war vor sechzehn Jahren. Und jetzt fürchte ich, Ihre Zeit ist um, Mr. Sanchez. Guten Tag.«
Danny setzte sich draußen auf eine Bank, und ohne auf das laute Geplapper vorbeigehender Studenten zu achten, blätterte er in seinen Notizen. All die beliebigen Informationsschnipsel fügten sich allmählich zusammen, nahmen Gestalt an, eine Gestalt, die er zugegebenermaßen nur undeutlich im Augenwinkel sah, die aber – da war Danny sich inzwischen ganz sicher – wirklich existierte.
Er setzte einen Zeitrahmen und versuchte, Ähnlichkeiten zwischen den beiden Fällen zu finden, die über die Vorgehensweise und die Handschrift hinausgingen. Das Material von Project ROUNDUP wurde Anfang Januar 1994 gestohlen. Adrian Kimber wurde am 28. März 1994 ermordet. Der Mörder Nicholas Todd starb unter mysteriösen Umständen vier Tage später. Angenommen, Orson existierte, hatte er seinen ersten Mord provoziert und Todd dann, nachdem er Reue zeigte, beseitigt?
Ishmael Vertanness fing im Februar 1995 zu morden an. War die Lücke nichts als die Zeitspanne zwischen zwei völlig unzusammenhängenden Ereignissen? Oder war es die Zeit, die Orson brauchte, um seinen neuen Mörder zu finden und unter seinen Einfluss zu bringen?
Hier gab es allerdings ein Problem: Anscheinend hatte Orson sich Nicholas Todds entledigt. Warum hatte er das nicht auch mit Vertanness gemacht? Vor allem da, wie O’Byrne vermutete, Vertanness auf eigene Faust zu morden begonnen hatte. Hätte das Orson nicht in Gefahr gebracht? Es wäre doch viel sicherer, ihn zum Schweigen zu bringen. Danny kreiste die Frage ein. Hier waren noch weitere Nachforschungen nötig.
Die Grenzland-Morde fingen im August 1999 an und endeten vier Monate später, der Mörder wurde nie gefasst. Wieder die Lücke, wieder die Verbrechen mit einer ähnlichen Handschrift. Warum die Verzögerung? Musste Orson erst einen neuen Mörder finden? Oder war es ein Beweis dafür, dass die Ereignisse nichts miteinander zu tun hatten, dass es sich um Nachahmungstaten handelte, wie Polizei und Presse meinten?
Und dann die Leiche in Alan Reades Haus elf Jahre später. Wieder die gleiche Handschrift. Und dazwischen Philip Samuel Cohen, der bei lebendigem Leib im Haus der Cookes eingemauert worden war, den Kopf mit Klebeband umwickelt. Danny dachte über Todds Selbstmord/Mord nach, den Kissenbezug über dem Kopf. War das etwas Ähnliches? Und falls Orson mit seinem neuen Mörder tatsächlich nach Spanien gezogen war, hätte er dann eine Spur hinterlassen?
Das war die Frage.
Danny suchte sich ein Café mit WLAN -Anschluss, setzte sich nach draußen und startete seine Suche.
Er brauchte eine Stunde.
Im Mai 2000 hatte eine Gruppe Jäger in einem abgelegenen Teil der sierra in der Provinz Granada eine Leiche gefunden. Die Leiche eines schwedischen Trampers hing gefesselt und mit Make-up beschmiert an einem Baum. Danny las, auf wie viele Arten der Mörder die mit Ketten aufgehängte Leiche sexuell missbraucht hatte. Es ekelte ihn an, und doch konnte er nicht aufhören. Er hörte erst auf, als seine Zigarette niedergebrannt war und ihm die Fingerspitzen versengte. Vor Schmerz riss er die Hand hoch, und Asche rieselte auf die Tastatur.
Der Mord hatte eine beispiellose Menschenjagd ausgelöst. Einige Wochen lang war ganz Spanien in Alarmbereitschaft gewesen. Aber der Mörder hatte sich in Luft aufgelöst. Es gab keine weiteren Leichen mehr. Die
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