Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
es versprochen, meine Liebe, aber das ist wichtig. Wichtiger, als du dir vorstellen kannst.«
Die beiden Männer redeten eine ganze Stunde, gingen alle Details vorwärts und rückwärts durch, versuchten, Löcher in ihre Theorien zu reißen. Es funktionierte nicht, sie kamen immer wieder zum selben Schluss: Orson war real, und er operierte in Spanien.
Anschließend planten sie, wie sie vorgehen sollten. O’Byrne würde mit der Polizei Kontakt aufnehmen, ihr die Beweise vorlegen. Er würde sie dazu bringen, die spanische Polizei zu informieren, eine Verbindung zwischen ihr und den Beamten herstellen, die die Grenzland-Morde bearbeitet hatten. Sie waren so gut wie fertig, als O’Byrnes Festnetzapparat klingelte. Seine Frau ging dran, kam zu ihnen und sagte: »Es ist für dich, mein Lieber.«
O’Byrne war nur dreißig Sekunden weg. Als er zurückkam, war sein Gesicht blass.
»Das war jetzt eben Edward Shelley aus Deepmere.«
»Hat er es sich anders überlegt und will mich jetzt doch zu Vertanness lassen?«
»Ja.«
Unvermittelt verschwand die Süffisanz aus Dannys Stimme. »Sie meinen, ich kann Vertanness besuchen?«
»Ja. Und nein.«
»Ich bin verwirrt.«
»Mr. Sanchez, Sie werden nicht dorthin fahren, um ihn zu sehen. Vertanness hat darum gebeten, Sie zu sehen. Irgendwie wusste er, dass Sie kommen würden.«
20
Donnerstag, 8. April 2010
Das Deepmere Hospital war nicht schwer zu finden.
Der Morgen war feucht und grau, dichter Nebel stieg aus den Feldern, die die hohen Backsteinmauern des Krankenhauses umgaben. Es gab dem Tag etwas Unheimliches, das Danny nun wirklich nicht brauchen konnte. Nicht, wenn er einen Psychopathen besuchte, der fünf Menschen auf dem Gewissen hatte.
Was, zum Teufel, wollte Vertanness von ihm? Und wichtiger noch, woher wusste er überhaupt, wer Danny Sanchez war? Er hatte eine schlaflose Nacht mit dieser Frage verbracht.
Es musste Orson gewesen sein, entschied Danny. Irgendwie hatte er es geschafft, Vertanness eine Nachricht zukommen zu lassen und diesen Besuch zu arrangieren. Es war die einzige logische Erklärung. Bei Vertanness handelte es sich nicht um einen Hannibal Lecter. Wie die meisten Serienmörder war er ein Außenseiter, ein kompletter Loser, und auch ohne seine grässliche Kindheit wäre er nie zu einem brillanten Kopf geworden: Das war im Prozess deutlich geworden. Auf gar keinen Fall wäre ihm selber ein Trick eingefallen, wie er sich mit der Außenwelt in Verbindung setzen konnte.
Außer er bekam Hilfe von außen. Das war das letzte Teil des Puzzles. Orson existierte. Und er wusste, wer Danny Sanchez war.
Als plötzlich innerhalb der Krankenhausmauern eine Sirene aufheulte, hätte Danny fast einen Herzinfarkt bekommen. Während er das Auto auf der Straße wieder ausrichtete, erinnerte er sich daran, was der Pressesprecher ihm gesagt hatte: dass jeden Vormittag um zehn der Ausbruchsalarm getestet wurde. Augenblicke später ertönte die Entwarnung. Sollte je einem Insassen die Flucht gelingen, würde der Alarm ausgelöst, um die Bewohner der nahen Häuser zu warnen, dass sich ein ernsthaft gestörtes Individuum auf freiem Fuß befand.
Und trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen war Deepmere ein Krankenhaus und kein Gefängnis. Es behandelte »Patienten«, nicht Gefangene. Das hatte der Pressesprecher drei-oder viermal betont im Verlauf der komplexen Verhandlungen, die Danny hatte durchstehen müssen, bevor man ihm gestattete, mit dem Mörder zu sprechen. Vertanness wollte Danny sehen, das Krankenhauspersonal offensichtlich nicht.
Edward Shelley begrüßte ihn am Tor. Er war ein großer Mann mit einer strengen Miene, und genau diese Strenge nutzte er aus, als er Dannys ausgestreckte Hand ignorierte. »Das ist gegen meinen Willen, und ich möchte, dass Sie das wissen. Nur weil Mr. Vertanness gegenüber seinem klinischen Team den ausdrücklichen Wunsch äußerte, mit Ihnen zu sprechen, werden Sie hier eingelassen.«
Im Innern von Deepmere hatte das Personal versucht, eine angenehme, freundliche Atmosphäre zu schaffen. Das war nur schwer vereinbar damit, dass man hier Menschen untergebracht hatte, die verantwortlich waren für die schlimmsten Verbrechen, die ein Mensch begehen konnte: Mord, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung. Die dicken Backsteinmauern und Gebäude waren hoch gebaut, so wie die Viktorianer ihre Architektur liebten. Auf weißen Säulen waren Flutlichtscheinwerfer montiert.
Zweimal wurde das Sicherheitsprotokoll durchexerziert, bevor sie das
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