Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
wollte.
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William Fouldes starrte hinaus auf die Grün-, Grau- und Brauntöne der Umgebung und unterdrückte ein Gähnen, während er der kurvigen Straße nach Süden durch das Valle de los Despeñaperros folgte, dieser Reihe von Schluchten, die die kastilische Ebene mit Andalusien verband. Es war schön auf eine karge, spanische Art: die Sonne, die über steilen Flanken splitternden Steins unterging, mit Bäumen und Büschen, die aus den Rissen zwischen den Blöcken wuchsen.
Doch William Fouldes war das eigentlich gleichgültig. Der Flug am frühen Morgen hatte sieben Stunden gedauert: von Bordeaux nach Amsterdam, dann zwei Stunden Wartezeit für den Anschluss Amsterdam–Madrid. Und jetzt die lange Fahrt von Madrid nach Almería: fünf Stunden, wenn dichter Verkehr herrschte, wie es bei ihm der Fall gewesen war. Es würde acht werden, bis er nach Hause kam.
Fouldes wechselte die CD und kämpfte gegen den Schlaf an, während er auf die autovía fuhr, die ihn durch die Provinz Granada und heim nach Huércal-Overa bringen würde. Die Konferenz in Bordeaux war total langweilig gewesen: die Herausgeber aller vierzehn von Ms. Pelham-Kerrs spanischen, französischen, deutschen und italienischen Publikationen, alle zusammengepfercht in einem Konferenzsaal für stundenlanges firmeninternes Blabla. Trotzdem war es nicht so schlimm gewesen, wie Fouldes befürchtet hatte. Das Personal jeder einzelnen Zeitung war rücksichtslos reduziert worden, aber noch hielten sie alle den Kopf über Wasser. Natürlich bedeutete das viel mehr Arbeit für die restlichen Leute, aber das war Fouldes eigentlich egal. Wen kümmerte es, wie viel Arbeit zu tun war, wenn man die Aufgabe hatte, sie zu delegieren? Außerdem war er im Besitz der Telefonnummer einer sehr attraktiven italienischen Frau, die er im Hotel kennengelernt hatte.
Und es war gut, bei einer solchen Veranstaltung sein Gesicht zu zeigen. Er wusste sehr genau, dass der Herausgeber der größten spanischen Zeitung in Pelhams Kette fast einen Tausender mehr verdiente als er. Genau dort wollte Fouldes in zwei Jahren sein, weit oben in der Zentrale in Valencia, in behaglicher, sicherer Position, hübsch nah an der Macht, und nicht in diesem Kaff Almería. Dass er hatte übernachten müssen, passte ihm weniger: Es war nie gut, eine Frau wie Jeanine allein zu lassen, auch nicht für eine Nacht, denn genauso hatte ihr vorheriger Freund sie verloren.
Drei CD s später traf er zu Hause ein. Er drückte auf den elektronischen Schlüssel, sah zu, wie die Tore zu seinem ländlichen Anwesen sich öffneten.
Jeanine lag bereits im Bett: Das Schlafzimmerlicht brannte, die Vorhänge waren jedoch zugezogen. Wenigstens wartete sie auf ihn. Die Scheinwerfer von Fouldes’ Auto huschten über die grauen Stämme der Olivenbäume, die Räder knirschten über den Kies.
Erst als er drin war und seine Schuhe auszog, fiel ihm auf, dass etwas nicht stimmte. Auf die weißen Fliesen des Bodens war mit einer fettigen Substanz ein Pfeil gemalt, der zur Treppe wies. Einen grässlichen Augenblick lang hielt er es für Blut. Als er sich bückte, erkannte er, was es war … Lippenstift? Oder Fettschminke?
»Jeanine? Was, zum Teufel, hast du hier unten gemacht?«
Auf der Wand des Treppenhauses prangte ein weiterer Pfeil. Ein dritter deutete oben auf dem Absatz nach links, zum Schlafzimmer. Verärgerung kämpfte mit dem plötzlichen Blutandrang in seinem Schritt. Es war ein nettes kleines Spiel, aber sie hatte seine verdammte Tapete ruiniert.
William Fouldes schnupperte. Es roch nach Essen. Er schaute ins Wohnzimmer. Der Plasmabildschirm zeigte Kindercomics. Auf dem Couchtisch stand ein ketchupverschmierter Teller. Der Boden war mit roten Punkten gesprenkelt. Kopfschüttelnd trug er den Teller in die Küche, blieb aber in der Tür wie angewurzelt stehen.
Es sah aus, als wäre in der Küche eine Bombe explodiert. Die Kühlschranktür stand offen, zerbrochene Eierschalen bedeckten die Arbeitsfläche mit geronnenem Eiweiß. Aufgerissene Packungen mit Frühstücksflocken lagen umgekippt daneben. So wie die Flocken auf der Arbeitsfläche herumlagen, sah es aus, als hätte Jeanine sie einfach mit der Hand aufgeschaufelt und in den Mund gestopft.
Das war zu viel.
»Jeanine? Warum, zum Teufel, antwortest du mir nicht?«
William Fouldes packte das Geländer und nahm immer zwei Stufen auf einmal.
5
Um acht fuhr Danny zu Pacos Haus. Paco lebte in einer dieser umzäunten Wohnanlagen, von denen die meisten
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