Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
spanischen Paare träumten: Die Wohnungen waren zwar klein, doch die großzügig angelegten Gemeinschaftsflächen boten einen Swimmingpool, einen Tennisplatz und Unmengen von Bänken, auf denen die Bewohner abends zusammensitzen und plaudern konnten, während ihre Kinder herumtollten. Das war etwas, das die Spanier richtig und sehr gut machten: Die Kinder stellten das Zentrum des spanischen Lebens dar, die Achse, um die sich alles drehte.
Danny fuhr mit dem Lift in den vierten Stock. In der Wohnung war Paco gerade im Begriff, seine beiden Töchter zu baden. »Wie war’s in England?«
Danny schaute in die strahlenden Gesichter der Mädchen und strich ihnen über die Haare. »Das erzähle ich dir später, Kumpel.«
Pacos Frau Lourdes stand in der Küche und bereitete das Abendessen vor. Danny unterhielt sich mit ihr, während Paco die Mädchen badete. Sie lud ihn zum Essen ein. Danny war zwar nicht hungrig, nahm aber trotzdem an. Nachdem er sein Hirn in den letzten Tagen mit den Entsetzlichkeiten dysfunktionaler Familien vollgestopft hatte, tat es gut, eine so glückliche, normale Beziehung zwischen Kindern, Ehemann und Ehefrau zu sehen.
Badezeit schien Chaoszeit zu sein: Hinter der geschlossenen Tür waren Scheppern, Spritzen und Lachen zu hören. Dann erhob Paco die Stimme, um Ordnung in das wässrige Tohuwabohu zu bringen. Er bat seine Töchter, sich zu waschen, aus der Wanne zu steigen und zuzusehen, dass sie ihre …
Lourdes erklärte eben die Hygieneroutine der Kinder, als Danny erstarrte, und zwar so unvermittelt, dass Lourdes die Stirn runzelte und ihn am Arm fasste. »Was ist los, Danny?«
Als Paco das Wort wiederholte, drehte Danny sich um und hämmerte gegen die Tür. »Dieses Wort, Paco. Was du eben gesagt hast. Wie schreibt man das?«
Paco reagierte unwirsch. »Habe hier alle Hände voll zu tun, Danny. Von welchem Wort laberst du?«
Aber Danny wusste bereits, wie man es schrieb.
Isabel, trockne dich dort unten ab.
Sei ein braves Mädchen, Alejandra.
Trockne deine toto ab.
Die Aussprache war so anders, er wäre nie drauf gekommen, bis er es einen Spanier sagen hörte. Spanische Vokale wurden trocken und kurz ausgesprochen – sie sagten nicht »tou-tou«. Das O in den beiden Silben klang wie das O in »Gott«: to-to.
Danny erinnerte sich jetzt an seine eigene Kindheit. Es war nicht einmal ein richtiges Wort, man würde es in keinem Lexikon finden. Mädchen hatten eine toto , Jungs einen colita. Die unschuldigen Wörter, die spanische Eltern benutzten, um über die Genitalien der Kinder zu sprechen. Wörter, die man nur lernte, wenn man von Kindesbeinen an mit einer Sprache vertraut war.
Er dachte an die Fotos von Vertanness’ Opfern, an das in den Unterbauch geritzte Wort TOTO . O Mann, die Antwort hatte ihm die ganze Zeit ins Gesicht gestarrt.
Er trat auf den Balkon hinaus, schob die Tür zu und rief Jim Durkin an.
»Jim, sag deiner Frau, ich kann die Parameter jetzt eingrenzen. Sag ihr, sie soll nach spanischen Muttersprachlern suchen. Jeder mit einer Verbindung nach Spanien oder Südamerika. Oder mit einem spanischen Elternteil. Orson spricht nicht nur Spanisch, Jim. Ich glaube, er ist Spanier.«
Dannys merkwürdiges Verhalten verlangte eine Erklärung. Lourdes brachte die Kinder ins Bett, während Danny und Paco sich auf den Balkon setzten. Danny brauchte zwanzig Minuten, um alles zu erklären.
»Ich habe deinem Instinkt immer vertraut, Danny, aber ich muss sagen – da sind jede Menge Wenns, Abers und Vielleichts in deiner Theorie«, lautete Pacos Kommentar.
»Ich weiß. Aber ich arbeite mit einem englischen Journalisten an dieser Sache. Das könnte eine wirklich anständige Exklusivgeschichte werden.«
Doch Paco dachte nicht an Exklusivgeschichten. Seine Nasenwurzel kräuselte sich, als Danny von Vertanness’ Drohung und seiner überstürzten Rückkehr nach Spanien berichtete; Pacos haselnussbraune Augen wanderten zum Zimmer seiner Töchter.
»Ich weiß nicht, Danny. Ich würde sagen, lassen wir zunächst die Polizei den Mistkerl fangen – und erst dann publizieren wir.«
»Keine Angst, ich werde nichts überstürzen. Es gibt da einen britischen Expolizisten, der etwas organisieren und irgendjemanden dazu bringen wird, mit der Polizei hier in Almería zusammenzuarbeiten. Aber je mehr wir über diesen Mistkerl herausfinden, desto weniger müssten wir uns darüber den Kopf zerbrechen, wann es zur Verhaftung kommt und das Wettrennen losgeht. Außerdem ist es auch in meinem
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