Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
ermordet? Oder abgeschlachtet? Bei dir klingt es, als wäre sie mit Herzinfarkt umgekippt.«
»Hey, ich habe die Schlagzeile nicht geschrieben, okay? Und zu deiner Information, ich glaube, dass es Mord war, und habe es auch so geschrieben. Aber später gestern Abend kam von ganz oben dann die Anweisung, die Schlagzeile zu ändern.«
»Wie bist du auf die Sache gekommen?«
»Gegen 22.45 Uhr gestern Abend erhielt der Herausgeber einen Anruf: Da kommt ein Riesending herein, jeder unterbricht sofort seine Arbeit.«
»Wer war der Anrufer?«
»Weiß ich nicht. Aber die Presseverlautbarung, die wir erhielten, war von der Regierung.«
»Warum von der Regierung? Sie hätte doch eigentlich von der Polizei kommen müssen.«
Julio senkte die Stimme. »Sei nicht naiv, Danny. Bei dieser Geschichte sind Interessen hinter den Kulissen im Spiel. Kein Mensch will, dass die Provinz schlecht dasteht. Zumindest nicht diese Woche.«
»Interessen? Innerhalb einer Woche tauchen drei Leichen auf, und du sprichst von Interessen?«
»Die Situation hier ist schlecht, und sie wird noch schlimmer werden. Die Arbeitslosigkeit liegt im Augenblick bei dreißig Prozent, Tendenz steigend. Keiner weiß, wann die Talsohle erreicht ist. Kurz gesagt, alles ist beschissen. Ernsthaft. Die Leute geben der Regierung die Schuld. Die Regionalregierung hier existiert seit 1978, und immer waren die Sozialisten am Ruder. Sie haben jede Wahl gewonnen. Andalusien ist ihre Bastion. In achtzehn Monaten sind Wahlen, und zum ersten Mal sieht es so aus, als könnten die Sozialisten verlieren. Aber nicht nur das, die Konservativen könnten sogar die absolute Mehrheit erreichen. Die Sozialisten tun alles, um das zu verhindern. Das ist der Grund, warum gewisse Prestigeereignisse so wichtig geworden sind.«
Endlich fiel der Groschen. »O Mann, willst du damit sagen, das ist alles wegen diesem Powerboot-Rennen?«
»Nein, ich rede von Almerías Bewerbung um das Powerboot-Rennen. Ich rede von einem viertägigen, internationalen Ereignis, zu dem der weltweite Jetset in Massen herbeiströmen wird. Ich rede von einem Rettungsanker für Tausende von lokalen Geschäften, Hotels, von kostenloser Publicity für die Exporte der Provinz und vor allem von einem kleinen Sonnenstrahl für die Sozialisten in einer Periode ununterbrochener Düsternis.«
»Man untersucht also Morde nicht – aus Angst vor schlechter Publicity?«
»Nein. Die Morde werden untersucht, aber als getrennte Einheiten betrachtet.«
»Warum?«
»Weil Morde ständig passieren. Wie Regentage und Verkehrsunfälle sind Morde unglückliche, unvermeidliche Tatsachen. Aber ein Serienmörder? Das ist eine völlig andere Geschichte. Über Serienkiller wird international berichtet. Und Serienmörder implizieren von Haus aus Inkompetenz aufseiten der Behörden, ganz einfach weil man, um einer zu werden, mehr als einmal getötet haben muss. Die Frage ist immer: ›Warum wurde er nicht schon früher gefasst?‹«
»Können Politiker so viel Druck auf die Polizei ausüben?«
»Zu deiner Information, ja, das können sie. Aber glaubst du ernsthaft, es geht nur um Politiker? Es geht um jeden. Um die nationale Regierung, die Regionalregierung, um Gemeinderäte, die Handelskammer, Geschäftsmagnaten. Kein Mensch will etwas von einem Serienmörder hören, der sich eine Woche, bevor der Prüfungsausschuss sich mit Almerías Bewerbung befasst, in der Provinz austobt.«
Danny legte auf. Die Regierung hatte die spanische Presse mit dieser Einbruchsgeschichte gefüttert.
Nun ja, Danny Sanchez wusste es besser. Er wusste, dass Jeanines Tod Teil von etwas anderem war, und er würde es auch beweisen.
Er musste jetzt genau herausfinden, was in Fouldes’ Haus passiert war.
Und es gab nur einen Menschen, der ihm das sagen konnte.
10
Er breitete die Zeitung vor sich aus und lächelte: ein schiefgegangener Einbruch? Sie hatten die Botschaft verstanden. Sie hatten Angst.
Er dachte zurück an eine andere Zeit, eine Zeit, als er Schlagzeilen gemacht hatte. Das war ein Kick gewesen, jeden Morgen in den Zeitschriftenladen zu gehen und Fotos seiner Arbeit auf allen Titelseiten zu sehen.
Damals hatten sie die Botschaft auch verstanden. Die Leute hatten zu Recht Angst vor ihm.
Alle Artikel benutzten dasselbe Foto, eine nächtliche Aufnahme der Vorderseite des Hauses. Er strich mit dem Finger über das Haus, hielt beim Schlafzimmerfenster kurz inne und dachte an das, was sich hinter den Vorhängen befand. Frauen waren eigentlich
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