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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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Meister. Nur, dass er die Akademie dann verlassen hat. Angeblich ist er als Flutmarkthändler irgendwo in Nordamerika in unbekannten Verhältnissen gestorben.«
    »Und er konnte wirklich mit Tieren sprechen?«, wollte Rufus wissen.
    »Ich glaube ja«, erwiderte Coralia. »Zumindest im Traum. Sie waren seine Führer. Und dass Tiere einen Menschen im Traum führen können, ist eine alte Legende. Alle Völker kennen sie.«
    Coralia hielt inne und sah Rufus tief in die Augen.
    »Rufus«, sagte sie dann langsam. »Wie bist du wirklich auf sein Buch gestoßen und warum interessiert es dich so?«
    Rufus stockte. »Ich … also, weil ich geträumt habe.«
    »Du hast nicht zuerst geträumt und dann das Buch gesucht. Das wäre absolut unwahrscheinlich«, sagte Coralia sanft. »Ich habe zuerst das Buch gefunden und dann gelernt zu träumen. Wie war es also bei dir?«
    Rufus schwieg.
    »Du musst es mir nicht erzählen.« Coralia lehnte sich zurück. »Aber ich werde dir auch nur alles sagen, was ich weiß, wenn du mir vertraust. Jeder Meister wird dir davon abraten, es mit solchen Nebenwegen zu versuchen. Sie werden sagen, dass du nie eine Traumflut zu Ende bringen und kein Artefakt herbeirufen wirst, dass du dich im Gegenteil darin verlieren könntest. Und dass eine gute Ausbildung auf den üblichen Wegen der Akademie wertvoller ist, als ein zweiter Nikolai Zeitschneider zu werden.«
    »Ja«, nickt Rufus. »Das verstehe ich.«
    Coralia lächelte. »Aber du glaubst es nicht?«
    »Doch, schon, nur …«
    »Nur deine Erfahrung spricht eben dagegen?«
    »Und wenn es so ist?«, platzte Rufus heraus.
    Coralia lächelte leicht. »Nikolai Zeitschneider hätte es allen beweisen müssen, damit man ihm glaubt. Ich persönlich glaube, dass man niemandem seinen Weg an der Akademie befehlen kann.«
    Rufus nickte. Dann stand er auf. »Ich muss jetzt los, Coralia. Die anderen warten schon auf mich. Danke für alles, was du mir erklärt hast.«
    »Bitte«, sagte das Mädchen. »Sicher hast du vor dem Flutmarkt mit deinem Statuenkopf noch genug zu tun.«
    Sie stand ebenfalls auf und begleitete ihn zur Tür. »Das war schön, dass du mich besucht hast. Hast du was dagegen, wenn wir uns mal wieder verabreden?«
    »Nein«, sagte Rufus unvermittelt, obwohl er sich da nicht ganz sicher war. Dann reichte er Coralia die Hand. »Danke, Coralia«, sagte er.
    Coralia ergriff seine Hand und hielt sie einen Augenblick in ihrer. In ihren Augen funkelte es. »Bis bald, Rufus.«
     
    Statt zu den anderen zurückzukehren ging Rufus schnurstracks in sein Zimmer. Er musste jetzt nachdenken. Coralia hatte sich anders verhalten, als er erwartet hatte. Sie hatte ihm nicht alles gesagt, was sie vielleicht wusste, aber sie war viel offener gewesen, als er es für möglich gehalten hätte. Und sie hatte diesmal kein einziges schlechtes Wort über No und Filine verloren. Stattdessen hatten sie nur über die Geheimnisse der Akademie gesprochen. Vielleicht war Coralia doch gar nicht so herrschsüchtig. Auf alle Fälle konnte man gut mit ihr reden.
    Rufus ging in der Mensa vorbei und holte sich ein nachträgliches kräftiges Frühstück, obwohl es mittlerweile schon weit über Mittag war.
    Als er in sein Zimmer kam, lag ein Zettel auf dem Boden:
     
    Wo warst du denn? Wir haben unsere Aufgaben schon gelöst. Na ja, fast, jedenfalls … Wir haben auf dich gewartet, Mann! Ottmar hat uns gesagt, du wolltest nur kurz irgendwas nachlesen? Warum bist du nicht gekommen? Ich weiß jetzt alles über Speere!
    No
     
    P. S. Filine und ich machen erst mal Pause.
     
    Rufus legte den Zettel auf seinen Schreibtisch. Er würde später zu No und Filine gehen und sich bei ihnen entschuldigen. Jetzt musste er nachdenken.
    Er ließ sich in seinen Sessel plumpsen und aß. Während er hungrig kaute, dachte er über alles nach, was er erfahren hatte: Tiere, die einen durch Traumfluten führten und einem Wege zeigten, diese erfolgreich zu meistern; Coralia, die davon zu wissen schien, obwohl er sie nie mit einem Tier gesehen hatte; Minster; Meister Zeitschneider, der gesagt hatte, es gäbe keinen Ort in der Akademie, an dem sich eine Traumflut zu Ende bringen ließe, weil die normalen Kräfte der Akademie vielleicht irgendwie nicht reichten … Traumfluten.
    Plötzlich fühlte Rufus sich müde. Er legte das Buch von Meister Zeitschneider auf den Schreibtisch. Wie sollte er jetzt weiterforschen? Er konnte in Meister Zeitschneiders Buch lesen. Aber …
    Der junge Lehrling gähnte herzhaft. Im

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