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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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selben Moment kam ihm die Lösung seines Problems. Er kicherte. Natürlich, er musste einfach schlafen! Nur im Schlaf konnte er vielleicht etwas träumen, das ihn der Sache näherbrachte.
    Rufus machte die Augen zu. Aber natürlich gehörte Einschlafen auf Befehl und noch dazu mitten am Nachmittag zu den schwersten Dingen im Leben überhaupt.
    Dennoch kuschelte er sich in seinen Sessel und sah aus dem Fenster. Die Sonne warf einen goldenen Schein auf die Ziegel. Rufus schloss die Augen und fühlte, wie das Licht seine Lider traf.
    »Traumflut«, dachte er sehnsüchtig.
    Aber nichts geschah.
    Was hatte Coralia gesagt? Dass sie zuerst das Buch gefunden und dann angefangen hätte zu träumen …
    »Ich nicht«, dachte Rufus. »Ich habe Minster im Traum gesehen. Minster, wer bist du?«
    Vor seinem inneren Auge tauchten die dunklen Knopfaugen der Bisamratte auf. Ihr Blick war klar und tief. Rufus fühlte, wie seine Lider schwerer wurden und sein Denken erlahmte. Gleichzeitig zog eine seltsame Leere in ihn ein.
    Rufus merkte gar nicht mehr, dass er eingeschlafen war. Er sah nur, dass ein dunkler Schatten vor ihm über einen Weg huschte, und ging ihm nach.
    »Traum«, dachte irgendetwas in Rufus. »Im Traum folgt man Wegen, die es sonst nicht gibt.«
    Der Schatten huschte weiter. Er tat es fast lautlos, aber ein leises Tapsen war doch zu vernehmen, von Pfoten auf weichem Waldboden.
    »Minster«, dachte etwas in Rufus wieder.
    Diesmal blieb der Schatten stehen und wandte sich ihm zu. Er schüttelte sich unwillig und umrundete einmal Rufus’ Füße, ehe er eilig weiterrannte. Wieder folgte ihm Rufus. Jetzt wurde es schwer. Der Weg war irgendwie zäh, und der Schatten schnell. Rufus konnte fast nichts sehen, doch er wusste, dass er dem Schatten folgen musste. Dann bemerkte Rufus einen hellen Glanz zwischen … Bäumen.
    Die Dunkelheit, die eben noch alles umgeben hatte, verwandelte sich. Sie war jetzt ein Wald, der in Dunkelheit lag. Doch durch die Baumkronen fiel silbernes Mondlicht. Und dieses Licht ließ etwas auf dem Boden vor ihm glänzen.
    Da war eine Lichtung, und auf der Lichtung lag Schnee, glänzender Schnee im Mondlicht.
    Rufus lief darauf zu. Je weiter er vorankam, desto besser konnte er sehen. Immer noch lief der Schatten voraus.
    Vor ihnen breitete sich die Lichtung in beide Richtungen aus. Sie war von hohen Bäumen umstanden. Und auf ihr bewegten sich Menschen …
    Wer war da?
    Es donnerte. Rufus fuhr auf, wie von einer Tarantel gestochen.
    »Rufus!«, brüllte etwas.
    Rufus riss die Augen auf und blinzelte.
    Im selben Moment schwang die Tür seines Zimmers auf, und eine entsetzlich große Gestalt raste herein. »Da bist du ja! Mann, wo warst du denn? Ich hab schon gedacht, du bist geklaut worden!«
    Der Riese grinste und sah Rufus aus seinen tellergroßen Augen freundlich an.
    »Hast du etwa schon gepennt? Du liest doch sonst immer die halbe Nacht!«
    »Was?«, stieß Rufus hervor.
    Der Wald war verschwunden und der Schatten auch. Dabei war alles so nah gewesen. Rufus sah auf. Der Riese schrumpfte auf Normalmaß, bekam blonde Haare und dann das Gesicht von No.
    »No?«
    »Ja, klar! Pennt der hier einfach weg, während Fili und ich die ganze Arbeit machen. Wo warst du denn bloß?«
    »Äh, wieso, wie spät ist es denn jetzt?«
    No grinste. »Ziemlich spät. Der Rest der Akademie liegt jedenfalls schon im Bett.«
    Rufus schüttelte den Kopf. »So spät schon? Das gibt’s doch nicht, ich bin … ich bin doch eben erst eingeschlafen …«
    »Aber hast du denn meinen Zettel nicht gefunden?«
    »Doch, aber dann bin ich eingeschlafen.«
    »Junge!«, sagte No. »Du bist echt drüber! Was ist denn überhaupt mit dir los? Warum hast du Ottmar die Bücher bringen lassen? Wir haben nach der Mittagspause weitergemacht und schon unheimlich viel über unsere Artefakte rausgekriegt. Das mit dem Geld ist reine Fleißarbeit, überhaupt nicht so schlimm, wie ich dachte. Wir sind zwar noch nicht fertig, aber ich bin sicher, dass mein Goldring kein Eierbecher ist. Und Filines Truhe ist wahrscheinlich ein Reisetresor aus dem 19. Jahrhundert. Aber vor allem haben wir wegen meinem Fragment noch was über Speere gelesen. Rufus, Speere sind echt der Hammer. Das waren früher –«
    »No!«, unterbrach Rufus den Redeschwall. »Lass mich doch erst mal wach werden!«
    »Alles klar, ich wollte dir auch eigentlich nur von Filine ausrichten, dass wir die Artefakte für den Flutmarkt alle in ihrem neuen Tresor eingeschlossen haben, dass du

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