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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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zuletzt gewacht hatte, sich hinzulegen, um vor dem Flutmarkt noch etwas Schlaf zu bekommen.
    Doch schon nach – wie es ihm schien – wenigen Minuten wurde er von Stimmen, die er nicht einordnen konnte, wieder geweckt.
    Er schlug die Augen auf.
    In diesem Moment erklangen drei Schläge, als stoße jemand einen Stock auf den Boden. Rufus sah sich um und erkannte drei Gestalten, die im Eingang des Gewölbes standen. Und eine von ihnen hielt wirklich einen Stock in der Hand.
    »Drei Händler begehren Einlass junge Lehrlinge. Sind wir willkommen oder steht uns eine Flut im Wege?«, rief die Gestalt mit dem Stock.
    Es war ein drahtig wirkender Mann mit wildem weißem Haar, dessen Gesicht Rufus irgendwie bekannt vorkam, ohne dass er sagen konnte, woher. Schräg hinter ihm standen eine zierliche asiatisch aussehende Frau und ein Mann, der tatsächlich einen Turban trug. Rufus blieb fast der Mund offen stehen vor Erstaunen.
    »Nein!«, rief in diesem Augenblick Filine, die auf ihrem Feldbett hochgeschreckt war. »Sie können hereinkommen, im Moment ist keine Flut.«
    »Und solange wir an unseren Verträgen arbeiten, wird sich wohl auch keine zeigen, Lehrling!«, sagte die Frau und trat näher. »Es sei denn, ihr konzentriert euch nicht wirklich auf das, was wir zu besprechen haben, wozu ich jedem von euch aber pflichtschuldigst raten würde.«
    »Hahaha!« Der Turbanträger lachte dröhnend. Dann klatschte er kräftig in die Hände, sodass es von den Wänden widerhallte. »Steht auf, ihr Langschläfer und Tunichtgute! Ihr schlaft mitten in Ali Babas Schatzhöhle. Was habt ihr denn so Anstrengendes hinter euch, dass ihr hier träumen könnt, anstatt die Meisterwerke der Vergangenheit in Augenschein zu nehmen? Ich habe als Lehrling so viel Zeit wie möglich in den Gewölben verbracht. Es gab nie etwas Herrlicheres, als hier herumzustöbern. Mein Name ist übrigens Hadschi Ben Sadek Abul Abbas Ibn Hadschi Titus della Bastion en Maroque.« Er verbeugte sich leicht. »Und ich habe die Ehre, mit einem gewissen No wie so zu verhandeln. Welcher von den beiden Herren ist es denn?«
    »Das bin ich«, ertönte Nos verschlafene Stimme aus dem Feldbett.
    »Sehr erfreut!« Hadschi Ben Sadek Abul Abbas Ibn Hadschi Titus della Bastion en Maroque trat vor.
    »Und ich bin Ok-Hee Ju.« Die kleine, geschmeidig wirkende Frau trat vor. »Und ich verhandele mit einem Lehrling namens Filine. Ein seltsamer Name, den es so eigentlich nicht gibt. Es gibt allerdings zwei Namen, die so ähnlich klingen. ›Feline‹ mit ›e‹, was ›die Glückliche‹ bedeuten würde. Oder ›Philine‹ mit ›ph‹, was dann ›die Feinfühlige‹ hieße. Ist denn die Trägerin dieses überreichen Namens ebenso erstaunlich wie seine Schreibweise?«
    Ok-Hee Ju sah Filine neugierig an.
    »Das müssen Sie entscheiden, Frau Ju. Auf alle Fälle sind Sie der erste Mensch, dem ich begegne, der sich kein ›i‹ für ein ›e‹ und kein ›f‹ für ein ›ph‹ vormachen lässt.«
    »Oh, und auch niemals ein X für ein U!«, erwiderte die Händlerin. »Guten Tag, Filine! Ich freue mich auf unsere Verhandlung.«
    Sie reichte dem Lehrlingsmädchen die Hand.
    Rufus hatte sich in seinem Bett aufgesetzt und blickte den Mann mit dem Stock an. Er hatte seit dem Eintreten nichts mehr gesagt und sah nun mit seinen hellen, blauen Augen direkt auf Rufus’ Artefakt, das auf dem Tisch vor Filines Geldtruhe stand. In seiner nächtlichen Verzweiflung hatte Rufus es hervorgeholt, in der Hoffnung, wenigstens mit dessen Bestimmung weiterzukommen.
    Jetzt drehte der Händler sich um.
    »James McPherson«, stellte er sich vor und nickte Rufus sachlich zu. Dann trat er auf den Kopf zu. »Du hast den Kopf eben betrachtet, ist sie dein Handelsobjekt, diese Göttin? Hast du tatsächlich eine Göttin zu verkaufen?«
    »Da wissen Sie mehr als ich«, erwiderte Rufus.
    Ok-Hee Ju wirbelte herum. »Du bist nicht vorbereitet? Du weißt nicht, um was du handeln wirst?«
    Filine zuckte zusammen und warf Rufus einen mitleidigen Blick zu. Dann trat sie schnell an die Truhe.
    »Dieser Reisesafe ist mein Artefakt, Meisterin Ju.«
    Ok-Hee Ju warf einen Blick auf die eisenbeschlagene Kiste.
    »Ach, herrje«, entfuhr es ihr. »Niemand braucht etwas in der Art. Es gibt heutzutage sehr viel bessere Safes. Und im Zeitalter der elektronischen Geldüberweisungen glaube ich sowieso …«
    »Ja«, sagte Filine. »Aber bevor wir über den Preis zu sprechen beginnen und versuchen, uns die Waren billig oder teuer zu

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