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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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Kriegers.«
    Rufus hörte dem Gespräch erstaunt zu. No schien zu wissen, wovon er sprach, so wie er sich verhielt. Ein wenig neidisch sah er ihm und dem Hadschi nach, als die beiden sich jetzt entfernten.
    Dann fiel sein Blick wieder auf den dritten Händler.
    In den blauen Augen von James McPherson schimmerte ein helles Licht.
    »Wie hat der Gedanke an Reichtum die Welt verändert? Wann ist er in sie eingetreten?«, sagte er lächelnd. »Das ist eine Frage, die uns umtreibt, nicht wahr. Kein Tier kennt ihn, fast jeder Mensch aber folgt ihm. Was unterscheidet uns Menschen also von der übrigen Schöpfung? Ist es der Verlust des Zusammengehörigkeitswissens? Ist es der Verlust der Erkenntnis oder ihr Gewinn? Was ist dein Streben?«
    Der Händler legte den Kopf auf die Seite.
    »Du hast herausgefunden, was Königin Boudiccas große Tat war neben der Rettung ihrer Töchter, das ist eine wahrhafte Leistung.«
    Rufus starrte den Mann an. Und plötzlich wusste er, woher er den Händler kannte.
    »Wir haben uns schon einmal gesehen!«, sagte er langsam.
    James McPherson nickte zustimmend.
    »Ein Teil der Druiden ist gerettet worden. Ich habe überlebt. Und ich werde nicht aufhören, die Welt und das Leben zu erkunden.«
    James McPherson lächelte und hob die Arme. »Ist eure Flut schon zu Ende?«
    Rufus schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er leise. »Aber ich weiß nicht, ob wir es schaffen.«
    »Ihr werdet es sehen«, sagte der Händler gelassen. »Und nun müssen wir über dein Artefakt verhandeln.«
    »Ich weiß«, antwortete Rufus.
    »Weißt du, um welches Werk es sich handelt?«
    »Nein.«
    »Aber ich weiß es.«
    »Und woher?«
    James McPherson betrachtete den Marmorkopf. »Ich habe zufällig vor vielen Jahren den dazugehörigen Torso in einer Flut in die Akademie gebracht.«
    Neugierig sah Rufus auf. »Und wen stellt der Kopf dann dar?«
    James McPherson schloss kurz die Augen. »Es ist der Kopf der Nike von Samothrake. Ihr Torso steht seit über hundert Jahren im Museum in Paris, aber sie stammt aus Griechenland, wo sie offiziell Stück für Stück aus dem Meer geborgen wurde. Diese Göttin ist eine wunderbare Statue. Viele Menschen sind bei ihrem Anblick schon in Ohnmacht gefallen.« Der Händler machte eine Pause. »Und, willst du ihn mir verkaufen?«
    Rufus schluckte. »Nein«, sagte er dann.
    »Aber die Akademie braucht Geld zum Überleben, und es ist eure Aufgabe, dafür zu sorgen.«
    »Ich will ihn aber nicht zu Geld machen, dafür ist er zu schön.«
    James McPherson lächelte, dann wurde sein Blick ernst.
    »Was bedeutet Geld? Wenn du Zeit hast, solltest du dich einmal mit Johann Wolfgang von Goethe auseinandersetzen. Er nannte das Geld ein offenbares Geheimnis. Ich habe viel von ihm gelernt, als ich darüber nachdachte. Das Geld, sagte er, hätte durchaus übernatürliche Kräfte. Kräfte, mit denen sich die Wirklichkeit verändern ließe, und zwar sowohl stimulieren wie auch vernichten. Stimmst du ihm darin zu?«
    »Stimulieren«, überlegte Rufus. »Sie meinen, man kann damit etwas bewirken, etwas anfeuern?«
    »Genau, wie zum Beispiel Kräuterbündel für die Akademie einzukaufen, das ist die banalste Form. Oder aber auch dafür zu sorgen, dass die Klosterbrüder ihre geheimen Gärten in aller Ruhe weiter kultivieren können.«
    »Aber wenn man kein Geld bräuchte …«
    »Es ist aber da!«, unterbrach ihn der Händler. »Und es hat, um es wieder mit dem alten Goethe zu sagen, sogar nahezu göttliche Kräfte. Aber gleichzeitig ist es teuflisch. Nicht jeder ist stark genug, Geld, das er eigentlich nicht braucht, zu verschenken.«
    »Schwäche«, sagte Rufus, »ist das einzige Übel, nicht wahr?«
    »Ja«, bestätigte McPherson. Und plötzlich schien der britannische Himmel über ihm zu stehen. »Und dann hat das Geld noch eine Seite: seine Auswirkung auf die Liebe. Das Geld zieht viel Liebe auf sich, viel Lust. Und zieht sie auf diese Weise von den Menschen ab.«
    Rufus nickte unmerklich. So hatte er es noch nie gesehen.
    »Verkauf ihn, Rufus. Das ist deine Aufgabe. Wir sind nicht die Wächter dieser Werke. Wir sollen sie in die Welt bringen, ohne an unseren Ruhm zu denken, ohne selbst davon zu profitieren.«
    »Dann will ich kein Geld dafür«, sagte Rufus.
    »Aber ohne Geld ist der weitere Weg dieses Artefakts unmöglich. Es gehört zu deiner Verantwortung.«
    Rufus sah den Kopf an. Das Gesicht war so schön, dass es strahlte und leuchtete. Es hatte so feine strenge und doch irgendwie sanfte Züge,

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