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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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brauchte jetzt seinen Tee und ein bisschen Gebäck.

    »The Penzance« hatte eine Auflage von 4000 Exemplaren, nicht schlecht bei einer Einwohnerzahl des Ortes von nur knapp 20000. Etwa die Hälfte der Auflage ging an Abonnenten, und John Pendelburg war besonders stolz darauf, dass rund einhundert dieser Abonnenten im Ausland lebten. Es waren Menschen, die immer wieder als Touristen nach Penzance kamen und sich durch die Zeitung für den Rest des Jahres ein bisschen Urlaubsgefühl nach Hause holten. Es gab viele Abonnenten in Deutschland, auch in den Niederlanden, einige in Frankreich und sogar zwei in New York. In Italien hatte »The Penzance« bislang noch keinen Abnehmer. Doch irgendjemand verschickte diese Ausgabe an den Lago Maggiore, in den kleinen Ort Maccagno. Adressat: Luigi Colmo, Wirt des Ristorante »Pescatore«. Der Nachruf auf Seite 4 war rot angestrichen.

Montag, 9. Oktober
    (t 0 minus 53)
    Gabriel Tretjak wachte ein paar Minuten vor acht Uhr auf, und es hatte funktioniert, wieder einmal; es funktionierte in den letzten Tagen immer öfter. Sein erster Gedanke war: das Meer. Eigentlich war es kein Gedanke, sondern ein Bild im Kopf, aber es war eben doch auch ein Gedanke. Meer bedeutete für ihn, dass man aufbrach, irgendwohin, dass man losfuhr. Sie hatten es in der Therapie besprochen, Therapeut Stefan Treysa und Patient Gabriel Tretjak. Er wollte den Morgen mit etwas Zukunft beginnen. Man musste sich vor dem Einschlafen auf das Meer konzentrieren. Versuchen, egal, was man dachte, das Meer gedanklich darüberzulegen. Und wenn man nachts zwischendrin aufwachte – und Tretjak wachte oft auf –, immer wieder an das Meer denken, blau oder grau, ruhig oder stürmisch, wie man es haben wollte. Immer dieses Bild gegen die anderen Bilder, die ihn monatelang verfolgt hatten, meist der tote Vater. Meer gegen Vater. Irgendwann hatte das Meer gewonnen.
    Sein Therapeut hatte gesagt, das Bild könne auch etwas anderes sein, zum Beispiel toller, wilder Sex. Doch sie waren rasch übereingekommen, dass dies angesichts seiner letzten Beziehung keine gute Idee war. Lieber das Meer.

    Tretjak ging in Unterhose und T-Shirt nach oben in die Küche und kochte sich einen Kaffee. Er spürte ein Gefühl, das er schon lange Zeit nicht mehr kannte. Er fühlte sich wohl. Klar, er musste immer damit rechnen, wieder in die Dunkelheit gezerrt zu werden, Stefan Treysa hatte das oft genug betont: »Da taucht man nicht so mir nichts, dir nichts auf, aus solchen Seelenkrisen, auch du nicht.« Aber immerhin, jetzt gerade war es anders. Es mochte am Meer liegen oder an der Therapie. Das schöne Wetter konnte es nicht sein, das war nun schon seit Wochen so, und der See hatte genauso blau ausgesehen, wenn er in verheerender Verfassung auf ihn herabgeblickt hatte. Tretjak hatte den Verdacht, dass es vor allem mit dieser Frau Welterlin zu tun hatte, mit ihrer merkwürdigen Geschichte. Die Frau war ihm sympathisch, aber vor allem hatte ihn ihr Besuch in eine andere Welt bugsiert. Da wollte jemand, dass er ihm half. Da wollte jemand, dass er die Wirklichkeit veränderte. Diese Frau wollte, dass er sich ihres Lebens annahm, in ihre Wirklichkeit eindrang. In ihre Wirklichkeit. Nicht in seine. Dieser Unterschied gefiel ihm außerordentlich.
    ›Ja, du bist der Regler. Gut.‹ So sprach sein Therapeut immer mit ihm. ›Du hast das Leben anderer Leute geregelt, indem du die Kontrolle über ihre Wirklichkeit übernommen hast. Aber du musst begreifen, dass es jetzt ausschließlich um dein Leben geht, und da ist die Sache ein bisschen komplizierter. Und du musst begreifen: Dein Leben ist aus den Fugen geraten.‹
    »Ja, du bist der Regler«, hatte sein Therapeut Treysa in einer der letzten Sitzungen gesagt. »Warum also regelst du nicht deine Vergangenheit? Warum gehst du nicht zurück und übernimmst die Kontrolle? Warum hast du gerade davor so große Angst?«
    Tretjak trank seine Tasse aus. Er schmeckte den Kaffee. Klang kitschig, aber dieser Geschmack kam ihm wie ein Geschenk vor. Er war sich nach wie vor nicht sicher, ob Treysa recht hatte. Zurück in die Vergangenheit? Musste ein Raketenkonstrukteur wissen, wie die allererste Rakete konstruiert worden war? Oder sollte sich dieser Mann nicht besser mit neuartigen Antriebsmethoden befassen? Kostete der Blick zurück nicht viel zu viel Kraft?
    Die Geschichte der Frau Professor. Früher hatte für ihn jeder neue Fall den Blick nach vorne bedeutet. Hinter ihm war nur eine Mauer gewesen. Da gab es

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