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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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geschehen, doch nachdem Clemencia mit der Missgunst des Ministers gedroht hatte, setzte sich tatsächlich eine Angestellte an den Computer. Es ging schneller als erwartet. Eine halbe Stunde später überflog Clemencia auf dem Weg zum Parkplatz die Liste. Etwa siebzig Namen. Die meisten davon waren wohl nur abgehauen, um eventuell anfallende Kosten nicht begleichen zu müssen.
    Clemencia strich Frauen, Kinder und zwei Männer, die über fünfundsechzig Jahre alt waren. Dann die große Zahl der Patienten, deren Krankheiten oder Verletzungen keine unabwendbare Gefahr für Leib und Leben darstellten. Es blieben ein paar Diagnosen, deren Fachchinesisch Clemencia nicht verstand, einige Krebspatienten und vor allem die Männer zwischen zwanzig und fünfzig Jahren, die sich eine HIV-Infektion eingefangen hatten und wegen des ausgefallenen Immunsystems unter einer ganzen Reihe von schweren Sekundärerkrankungen litten.
    Noch achtzehn Namen, von denen keiner Clemencia etwas sagte. Noch achtzehn Adressen, die überprüft werden mussten. Doch bevor sie damit anfing, wollte sie die Fälle aus dem Katutura Hospital dazunehmen. Dass der Killer eines der privaten Krankenhäuser aufgesucht hatte, hielt sie für weniger wahrscheinlich. Vielleicht machte sie sich falsche Vorstellungen, aber sie sah einen Killer, der nichts zu verlieren hatte, einfach nicht als vermögenden Mann, der sich eine Privatbehandlung leisten konnte.
    Auch im Katutura State Hospital lief alles glatt. Von der Aufstellung, die sie dort erhielt, blieben vierundzwanzig Namen übrig.
    Ashipala, Manzambi
    Autindi, Immanuel
    Bobeje, Ebenezer
    Damaseb, Dawid
    Daurab, Amon
    Elago, Lucas
    Erastus …
    Stop! Elago, Lucas, Farm Lewensvrede, Telefon … War das nicht Ex-Richter Hendrik Fouries Farm? War das nicht die Telefonnummer, die Clemencia schon ein paarmal gewählt hatte?
    Elago, Lucas, männlich, geboren am 23.   1.   1967, aufgenommen am 15.12., ohne Entlassungsschein am 20. oder 21.12. verschwunden. Also knapp zwei Wochen vor dem ersten Mord! Zwei Wochen, die man brauchte, um sich eine Kalaschnikow zu besorgen, um die Opfer auszuspionieren, Pläne zu entwerfen, einen Wagen zu stehlen und ihn zum Group-4-Securicor-Fahrzeug umzuspritzen.
    Elago, Lucas. Diagnose: manifestes AIDS, Lungentuberkulose mit hämatogener Streuung auf Lymphknoten, Pankreatitis. Als Medikation wird empfohlen: …
    Clemencia stand neben dem Citi Golf vor dem Katutura State Hospital. Der Himmel war so schwarz geworden, dass man glauben konnte, die Nacht sei schon hereingebrochen. Im Norden, Richtung Brakwater, zuckten Blitze auf, schienen für Momente als verästelte gleißende Bäume unter den Wolken zu brennen, bevor sie zwischen den dunklen Hügeln verglühten. Clemencia versuchte die Sekunden zu zählen, bis die zugehörigen Donnerwellen anrollten, aber es waren so viele, dass ihr die Zuordnung nicht gelang. Sie setzte sich in den Wagen, startete den Motor.
    Elago, Lucas!
    Als Clemencia losfuhr, zerplatzten die ersten Regentropfen auf der Windschutzscheibe. Es waren vereinzelte, dicke Tropfen. Clemencia dachte an Einschläge von Gewehrkugeln und sah zu, wie sich die dünnen Wasserbahnen durch die Staubschicht auf dem Glas einen Weg bahnten.
     
    Er saß am Steuer und hatte die blaue Tasche neben sich. Er würde sie nicht mehr brauchen, er würde gar nichts mehr brauchen. Nur noch einen Platz, an dem er sterben konnte. Den sollte er allerdings bald erreichen. Schon jetzt fühlte er, wie sich sein Bewusstsein zu verlieren drohte, es wollte weg, wohin auch immer, jedenfalls weg von seinem Körper, der noch eine Weile atmen, dessen Herz aus Gewohnheit weiterschlagen würde, bis es einsah, dass das sinnlos war. Dann würde es aufhören. Es wäre vorbei. Er hustete, spuckte Blut.
    Eigentlich spielte es keine Rolle, wo man starb. Dazu war jeder beliebige Ort recht. Fühlten die Buschmänner ihre Stunde nahen, blieben sie allein am Lagerplatz zurück, wenn die anderen weiterzogen. Dort starben sie dann. Ihre Sippe ging das nichts an, die war genug damit beschäftigt, das eigene Überleben zu sichern. Diejenigen, die nichts mehr dazu beitrugen, vergaß man am besten schnell. Egal, welche Opfer sie mal gebracht hatten. Er selbst war allerdings kein Buschmann.
    Dornbüsche kratzten hässlich am Blech des Autos entlang. Er schrak hoch, lenkte den Wagen in die sandige Fahrspur zurück. Es war nicht mehr weit, zwei Kilometer vielleicht. Das würde er schaffen! So lange musste er sein Bewusstsein

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