Die Stunde des Schakals (German Edition)
auf den Teppich und bewegte sie auf und ab.
«Was wir machen?» Oshivelo lachte freudlos. «Wir fassen Donkerkop, prügeln ein Geständnis aus ihm heraus und senden es im Radio. Genau so machen wir es!»
«Chef, wir können unmöglich …»
«Und ob wir das können!»
«Ihre Frau …», begann Clemencia.
«Genau», unterbrach Oshivelo, «sie ist meine Frau, und ich hätte sie gern heil wieder.»
Von der Tür her meldete sich Angula: «Was hat der Killer noch verlangt?»
«Das reicht doch wohl, oder?», sagte Oshivelo scharf.
«Ich frage mich nur, wieso er sich gerade Ihre Frau geschnappt hat. Es gibt schließlich genügend andere hohe Polizeioffiziere.» Angulas Stimme blieb leise. Trotzdem klang sie scharf. Ein kleines blitzendes Skalpell, unter dem die Haut auseinandersprang.
«Nur zu, Angula!» Oshivelo stand auf.
«Hat er nicht vielleicht verlangt, dass Sie auch im Radio auftreten, Chef? Sie oder sonst einer von der SWAPO, der bei der Lubowski-Sache beteiligt war? Könnten Sie nicht viel besser erzählen, wie das damals abgelaufen ist?»
Oshivelo machte einen Schritt auf Angula zu. Sein Knie knickte ein, das Blut zirkulierte noch nicht richtig. Oshivelo setzte sich wieder aufs Bett. Er sagte: «Sie haben mich befreit, dafür danke ich Ihnen. Aber jetzt sind Sie endgültig raus, alle beide! Solange das hier geht, möchte ich keinen von Ihnen mehr sehen. Und falls Sie es wagen sollten, die Ermittlungen zu behindern, im Präsidium aufzutauchen oder sich sonst irgendwie einzumischen, lasse ich Sie einsperren. Das verspreche ich Ihnen beim Leben meiner Frau.»
Ndangi Oshivelo, Deputy Commissioner der namibischen Polizei:
Verschwörungstheorien sind deswegen so erfolgreich, weil sie sich damit begnügen, aus Mutmaßungen, Koinzidenzen und nach Belieben gewichteten Einzelaspekten einen Anschein von Plausibilität herzustellen. Man kann versuchen, eine solche Argumentation hier und da zu widerlegen, doch das spornt deren Anhänger nur an, neue Zusammenhänge zu konstruieren. An den Kern der Theorie wird man nie herankommen, denn wie wollen Sie nachweisen, dass etwas nicht existiert? Etwas zu verifizieren ist dagegen verhältnismäßig einfach. Wollen Sie jemandem beweisen, dass es in der Wüste Schakale gibt, nehmen Sie ihn in die Kalahari mit und fangen einen. Wollen Sie aber jemanden überzeugen, dass dort keine Geister durch die Luft fliegen, haben Sie keine Chance. Man sieht die Geister zwar nicht, auch wenn man jahrelang sucht, doch könnten sie nicht unsichtbar sein? Oder den Menschen als Fledermäuse erscheinen? Oder sonst irgendein Schwachsinn?
Was ich damit sagen will? Ich halte es für ausgeschlossen, dass jemand von der SWAPO in die Attentatspläne eingeweiht war oder gar beim Mord an Lubowski mitgewirkt hat, aber beweisen kann ich das nicht. Das ist nämlich unmöglich. Nicht umsonst ist es in einem Strafverfahren keineswegs Aufgabe des Angeklagten, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. Nein, ihm muss die Schuld nachgewiesen werden.
Und da genügt es eben nicht, wichtigtuerisch zu raunen, dass Lubowski Konkurrenten und Feinde im eigenen Lager hatte. Das mag ja durchaus sein. Es mag auch sein, dass einige auf die Staatsämter scharf waren, die nach der Unabhängigkeit wahrscheinlich Lubowski zugefallen wären. Mancher war wohl froh, dass er Sam Nujoma, dessen Rückkehr aus dem Exil ja unmittelbar bevorstand, politisch nicht mehr beeinflussen konnte. Und der eine oder andere sympathisierte vielleicht auch insgeheim mit einem Slogan, den noch vor kurzem ein einfach gestricktes Gemüt auf einem Plakat durch Windhoek getragen hat: Kill all whites!
Gegen Verschwörungstheorien kommt keiner an. Es nützt nichts, sie zu entlarven, selbst wenn es sich um den größten Unsinn handelt. Und davon haben wir schon genug hören müssen! Ich kann nicht verhindern, dass sich jemand fragt, ob die SWAPO von der eingeflogenen Killertruppe gewusst und von dem geplanten Attentat Wind bekommen hatte. Ob jemand die Information absichtlich so lange zurückhielt, bis man Lubowski nicht mehr aus der Schusslinie nehmen konnte. Ob Acheson erst der Polizei serviert wurde, als er seinen Job erledigt hatte. Ob man deswegen Grund hatte, einen Prozess zu fürchten.
Ich kann hundertmal wiederholen, dass wir 1989 noch nicht an der Macht waren und die Ermittlungen auch nicht beeinflussen konnten, aber das wird nichts ändern. Wer es nicht lassen kann, soll meinetwegen spekulieren, woher Lubowskis Mörder erfahren
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