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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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hatten, dass er am betreffenden Abend allein im Wagen sitzen würde. Man mag die späteren politischen Bemühungen kritisieren, man mag daran zweifeln, dass es rechtlich aussichtslos war, einen Auslieferungsantrag wegen der CCB-Agenten an Südafrika zu richten. Man mag ruhig seine Version der Ereignisse zusammenbasteln! Ich werde mich daran nicht beteiligen. Ich würde zu alldem nur Stellung nehmen, wenn einigermaßen schlüssige Beweise vorlägen. Aber die gibt es ja wohl nicht, oder?

5
    HELDEN
    Der Killer sei todkrank, hatte Oshivelo gesagt. Ob man das einem Menschen ansah? Oder hatte der Killer es selbst behauptet, um zu unterstreichen, dass er auf nichts Rücksicht zu nehmen brauchte? Andererseits hätte er damit ja auch seine Schwäche eingestanden. Würde man das tun, wenn man jemanden erpressen wollte? Würde Oshivelo nicht versucht sein, auf Zeit zu spielen und zu hoffen, dass sich die Bedrohung für seine Frau von selbst erledigte?
    Ganz im Westen zerfaserten die Wolken, ließen hier und da einen Fetzen blassen Blaus durchscheinen, doch weit über Windhoek hinaus türmte sich dickes Grau in den Himmel. In unterschiedlichen Schattierungen bis hin zu fast schwarzen Zusammenballungen. Man glaubte die elektrischen Ladungen, die sich dort aufbauten, schon auf der Haut zu spüren. Angula knurrte irgendetwas. Er hatte darum gebeten, nach Hause gebracht zu werden, und so fuhr Clemencia nun auf der Otjomuise Road entlang. Links lag der Goreangab-Damm. Das bisschen Wasser darin war eine unbewegte, stumpfe, mattgraue Fläche. Im Auto blieb die Luft schwül und heiß, auch wenn man die Fenster öffnete.
    Dass der Killer tatsächlich todkrank war, daran zweifelte Clemencia nicht. Es war so einleuchtend, dass sie sich fragte, wieso sie nicht von sich aus auf diesen Gedanken gekommen war. Die Mischung aus Verzweiflung, Entschlossenheit und völliger Rücksichtslosigkeit, die er an den Tag gelegt hatte, entsprach genau der Nach-mir-die-Sintflut-Einstellung eines Menschen ohne eigene Zukunft.
    So könnte sich auch ein anderes Rätsel der Mordserie erklären, nämlich die zwanzig Jahre, die seit dem Attentat auf Anton Lubowski vergangen waren. Der Killer war vielleicht von Anfang an auf Rache aus gewesen, hatte aber die Konsequenzen für sich selbst gefürchtet. Jetzt war ihm alles egal. Lebenslängliche Haft schreckt nicht unbedingt, wenn man weiß, dass es dabei höchstens um Wochen geht. Und dass man wahrscheinlich sowieso für haftunfähig erklärt würde.
    Die Ärzte! dachte Clemencia. Irgendwer muss dem Killer ja die Diagnose gestellt haben. Irgendjemand muss ihm glaubhaft versichert haben, dass er bald sterben wird. War das vielleicht eine Möglichkeit herauszufinden, wer er war? Über die Ärzte? Aber Clemencia konnte unmöglich jede Praxis abklappern. Sie wusste ja nicht einmal, woran der Killer erkrankt war. Nur, dass es ernst war, hoffnungslos und sehr, sehr absehbar. So mir nichts, dir nichts, nach einer ersten schnellen Untersuchung, würde jedoch kein Arzt einen solchen Befund verkünden. Er würde versuchen, sich abzusichern und jeden Zweifel auszuschließen. Mit Röntgenbildern, Computertomographie, mit Analysen von Gewebeproben, Blutwerten, Gehirnströmen, mit was auch immer. Mit Untersuchungen jedenfalls, für die eine normale Praxis nicht ausgerüstet war. Ein Labor oder … ein Krankenhaus! Ja, so musste es sein. Vielleicht war der Killer selbst in ein Krankenhaus gegangen, vielleicht war er überwiesen worden, jedenfalls hatte er die endgültige Diagnose erst dort erhalten. Und so viele gutausgestattete Krankenhäuser gab es in Windhoek nicht.
    «Katutura Hospital, Central, Rhino Park, Mediclinic, das römisch-katholische …», murmelte Clemencia.
    «Ich will nur nach Hause», sagte Angula. Er hielt sich den verbundenen Arm mit der linken Hand.
    «Ich meine», sagte Clemencia, «dass wir in den Krankenhäusern vielleicht erfahren könnten, wer der Killer ist.»
    «Ohne mich», sagte Angula.
    «Es wäre eine Chance.»
    Angula starrte auf seinen Verband, sagte: «Mir geht es nicht so gut.»
    «Ja», sagte Clemencia. «Entschuldige. Ich meinte nur …»
    «Ich würde mich gern hinlegen.»
    Natürlich würde er sich nicht hinlegen. Er würde einen Bleistift in die linke Hand nehmen und in krakeliger Schrift Anschuldigung um Anschuldigung gegen Oshivelo und die SWAPO-Führung zu Papier bringen, obwohl er genau wusste, dass das nichts bringen würde. Clemencia sagte: «Ist schon in Ordnung,

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