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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Angula.»
    «Ja?»
    «Ja.»
    Die paar Minuten, die sie noch zu Angulas Wohnung brauchten, schwiegen beide. Dort stieg er aus dem Auto, drehte sich zu Clemencia um und sagte: «Ich weiß, dass ich recht habe.»
    «Kuriere dich aus, Angula!», sagte Clemencia und fuhr los. Sie begann mit dem Central Hospital. Vom Parkplatz aus ging sie Richtung Besuchereingang, blieb stehen. Draußen auf den Bänken warteten ein paar Großfamilien auf den Beginn der Besuchszeit. Ein kleiner Junge rannte mit einem Superman-Umhang und einer Plastikpistole über den verbrannten Rasen. Zwei geschwungene Rampen umfassten den Vorplatz wie eine Zange. An einem Nebeneingang stand ein Weißbekittelter und rauchte hastig.
    Wie sollte Clemencia herausfinden, welchen Patienten in letzter Zeit eine Lebenserwartung von wenigen Wochen prognostiziert worden war? Eine solche Aufstellung gab es garantiert nicht und konnte von der Verwaltung wahrscheinlich nur geliefert werden, wenn man alle Krankenakten einzeln durchforstete. Das würden die wohl kaum machen. Alternativ blieb der Weg über die Ärzte, von denen hier allerdings Hunderte beschäftigt sein mussten. Die Hälfte davon wäre aber nicht im Dienst, und der Rest würde sich erst einmal auf das Arztgeheimnis berufen. Clemencia würde nie vollständige Listen erhalten, es würde Ewigkeiten dauern, es war sinnlos.
    Clemencia versuchte zu rekonstruieren, wie eine Ärztin – sie konnte sich nur eine Frau, keinen männlichen Arzt vorstellen – dem Killer das Ergebnis der Untersuchungen mitgeteilt hatte. Daten, Fakten, Fachausdrücke, und als das Unverständnis in der Miene des Patienten unübersehbar wurde, klarere Worte: Die Krankheit habe ein Stadium erreicht, in dem Behandlungen keinen Erfolg versprächen, sondern im Gegenteil den Körper zusätzlich belasten würden. Man könne aber versuchen, die Symptome medikamentös zu lindern und so die Lebensqualität vorläufig … Da hatte der Killer begriffen.
    «Wie lange noch?», hatte er gefragt, und die Ärztin hatte geantwortet, dass man das nie so genau sagen könne …
    «Wie lange noch?», hatte der Killer wiederholt und war aufgesprungen.
    «Vielleicht ein paar Monate», hatte die Ärztin gesagt. Nach einem kurzen Zögern hatte sie sich verbessert. «Eher Wochen als Monate.»
    Und der Killer? Er war nicht zusammengebrochen, ganz im Gegenteil, es schien, als sei eine ungeheure Last von ihm abgefallen, als ströme plötzlich neue Kraft durch seinen Leib, eine lang nicht mehr gekannte Energie, die er auch brauchte, weil er nur noch Wochen zu leben hatte und so viel erledigt werden musste. Er wollte nur raus aus diesem Krankenhaus, nichts wie raus. Sobald es ging, raffte er eilig seine Sachen zusammen. Und wenn es so gewesen war, dann hatte er sicher nicht …
    Clemencia sah zum Eingang des Central Hospitals hin. Nein, sie würde das anders angehen. Nicht auf die finnisch korrekte, sondern eher auf die Art von Miki Selma. Sie holte ihr Handy hervor und erfragte bei der Auskunft die Nummer des Krankenhauses. Dann rief sie an, stellte sich als Claire Namases vom Gesundheitsministerium vor und ließ sich mit der Verwaltung verbinden.
    Sie erklärte, dass im Ministerium gerade eine international besetzte Konferenz tage, bei der es um viel Geld für das namibische Krankenhauswesen gehe. Die UNESCO-Vertreter hätten allerdings bestimmte Daten eingefordert, über die man nicht verfüge. Der Staatssekretär habe versprochen, diese noch vor Abschluss des heutigen Konferenztages zu beschaffen, weshalb man darum bitte, unverzüglich eine Liste aller Patienten anzufertigen, die in den letzten drei Monaten das Krankenhaus verlassen hätten, ohne die offiziellen Entlassungsformalitäten einzuhalten. Die, die einfach abgehauen seien, genau. Bitte mit vollständigem Namen, Adresse, Alter, Diagnose und so weiter, das sei doch möglich, oder? Gut, wenn es prinzipiell möglich sei, dann wohl auch jetzt sofort. Und wenn es nicht dringend wäre, hätte man nicht angerufen. Man würde augenblicklich eine Mitarbeiterin losschicken, um die Daten abzuholen. In zwanzig Minuten wäre sie da. Sie heiße Clemencia Garises – «wenn Sie sich den Namen bitte notieren wollen!» –, und man verlasse sich darauf, dass das Material nur ihr persönlich ausgehändigt werde. Danke, sehr verbunden, schönen Tag noch!
    Als Clemencia auch die anderen Windhoeker Krankenhäuser antelefoniert hatte, waren die zwanzig Minuten um. Natürlich war in der Verwaltung des Central noch nichts

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