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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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«Ma’am», sondern als «Miss Garises» ansprach. Aus irgendwelchen Gründen schien er Clemencia gewogen zu sein. Jedenfalls hatte er bei früheren Gelegenheiten so höflich und wohlwollend nachgefragt, wie es sonst unter seinesgleichen nicht üblich war. Fast hatte Clemencia das Gefühl gehabt, er wolle ihr gerade in heiklen Situationen goldene Brücken bauen.
    Oshivelo sprach ein paar Begrüßungsworte und übergab an Clemencia. Sie blieb kurz und sachlich. Zwei Morde, eine Waffe, ein Täter. Ein paar Details zu den Tatumständen. Die Bestätigung, dass beide Opfer früher dem CCB angehört hatten. Die Einschränkung, dass man auch anderen Spuren folge, über die man aber aus ermittlungstaktischen Gründen nichts verlauten lassen könne. Dann der Honig für die Presse: Bitte um Hilfe. Mitarbeit der Öffentlichkeit. Verantwortung. Zivilgesellschaft. Kooperation zwischen Bürger und Staat. Das Übliche eben. Dazu verteilte Clemencia die vorbereiteten Fotos von Chappies Maree. Die wenigen Fragen, die auf Versäumnisse der Polizei oder politische Hintergründe abzielten, wimmelte sie souverän ab. Nach nicht einmal einer halben Stunde war alles vorbei. Oshivelo nickte Clemencia anerkennend zu.
    Draußen passte sie der Reporter der Allgemeinen Zeitung ab. Ob er sie mal sprechen könne. Er war einen Kopf größer als sie, schlaksig, und hatte eine Haut, die so weiß war, dass er wahrscheinlich sogar in der Nacht Sonnenschutzcreme auftragen musste. Er stellte sich als Claus Tiedtke vor, fuhr sich einmal mit der Hand durch die blonden Haare und kam schnell zur Sache: «Vor ein paar Monaten meldete sich ein älterer Deutschsprachiger bei mir in der Redaktion und behauptete, mitten in Windhoek Donald Acheson gesehen zu haben.»
    «Acheson, den Cleaner?», fragte Clemencia ungläubig. Der war 1991 untergetaucht, nachdem er von den Südafrikanern nach London deportiert worden war. Inzwischen konnte er sich in Australien, Südamerika oder irgendeinem anderen weit entfernten Teil der Welt befinden. Immer angenommen, dass er überhaupt noch lebte.
    «Ich habe dem Mann geraten, zur Polizei zu gehen, aber da war er schon gewesen. Ihre Kollegen hatten ihn eine Weile warten lassen und ihm dann mitgeteilt, dass gegen einen Donald Acheson nichts vorliege. Er hatte zu debattieren begonnen, hatte ihnen zu erklären versucht, dass Acheson einer der berüchtigtsten Killer des CCB gewesen war, aber sie hatten ihn weggeschickt. Wutentbrannt kam er zu uns in die Redaktion und stänkerte herum, dieser Skandal müsse in die Zeitung. Da ging es ihm wohl schon weniger um Acheson und mehr darum, die Unfähigkeit der namibischen Polizei zu entlarven.»
    «Was Sie natürlich abgelehnt haben», sagte Clemencia. Sie las die deutschsprachige Zeitung nicht, konnte sich aber gut vorstellen, wie dort die Effektivität der Polizei beurteilt wurde.
    «In der Tat, Miss Garises.» Claus Tiedtke lächelte. «Dafür gibt es genügend andere und bessere Anlässe. Jedenfalls, mir war die Sache zu unsicher und – ehrlich gesagt – nicht aktuell genug, um sie in die Zeitung zu bringen. Noch dazu wollte der Mann seinen Namen nicht genannt wissen. Ich sagte ihm, dass ich ohne eine Bestätigung aus anderer Quelle nichts machen könne, und hatte den Vorfall bald vergessen.»
    «Bis van Zyl und Maree ermordet wurden», sagte Clemencia. Sie fragte sich, warum eigentlich keiner der Polizisten, die den Zeugen weggeschickt hatten, auf die Idee gekommen war, sie zu benachrichtigen.
    «Vielleicht ist es ja auch gar nicht wichtig», sagte Claus Tiedtke.
    «Doch, doch, vielen Dank! Wie der Zeuge hieß, wissen Sie wohl nicht mehr?»
    Tiedtke schüttelte den Kopf. «Nur, dass der Mann Acheson in einem Waffengeschäft gesehen haben wollte, als er Munition kaufte. Bei Rosenthal Guns.»
    Ein untergetauchter Killer wird ausgerechnet in einem Waffenladen erkannt. Das passte zu gut, um wahr zu sein. Wahrscheinlich war alles Unsinn und der angebliche Zeuge ein Besserwisser, der den lieben langen Tag nichts anderes zu tun hatte, als seine fixen Ideen zu verbreiten. Außerdem müsste er Acheson schon sehr gut gekannt haben, um ihn nach neunzehn Jahren bei einem zufälligen Treffen sofort wiederzuerkennen. Andererseits tauchten solche Wichtigtuer gemeinhin auf, nachdem ein Fall Schlagzeilen gemacht hatte. Wenn sich der Mann gestern oder heute gemeldet hätte, würde Clemencia keinen weiteren Gedanken daran verschwenden, aber vor ein paar Monaten? Kein Mensch hatte damals von Lubowski,

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