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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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meldete sich der Staatsanwalt zu Wort. Er sei von meiner Beweisführung nicht überzeugt. Ganz im Gegenteil, er halte Donald Acheson – dessen Spitzname ‹The Cleaner› inzwischen allgemein bekannt war – für unschuldig. Die Indizien, die gegen ihn vorlägen, sprächen eher dafür, dass er reingelegt worden sei. Irgendwelche Unbekannten wollten ihm angeblich den Mord anhängen.
    Es war unglaublich, aber die Staatsanwaltschaft weigerte sich schlicht, Anklage zu erheben. Zumindest, solange ein Teil der Beschuldigten in Südafrika saß und nicht ausgeliefert wurde. Der stellvertretende Justizminister versprach, sich darum zu kümmern, doch das verlief bald im Sand. Ein offizieller Auslieferungsantrag wurde von der namibischen Regierung nie gestellt.
    Der Rest ist schnell berichtet. 1998 gab es eine weitere gerichtliche Untersuchung am High Court, bei der nicht mehr, aber auch nicht weniger herauskam als bei meiner eigenen. Die Lubowski-Familie brachte den Fall schließlich vor die südafrikanische Truth and Reconciliation Commission. Jahre später überprüfte die dortige National Prosecuting Authority deren Ergebnisse im Hinblick auf eine juristische Neuaufnahme, und nun sitzt wieder einmal die namibische Generalstaatsanwaltschaft über den Akten. Zu einem Prozess kam es nie. Weder hier noch in Südafrika.
    Wie so etwas möglich ist? Nun, rein theoretisch könnte ich mich getäuscht haben. Vielleicht reichten die Beweise wirklich nicht aus. Oder aber es gab zu viele Leute, die zu viel zu verlieren hatten, wenn die ganze Wahrheit ans Licht kam.

2
    STIMMEN
    Seit vierundzwanzig Stunden hatte er praktisch nichts mehr gegessen. Bevor er in den Anschlussbus nach Johannesburg umgestiegen war, hatte er in Upington ein paar Chicken Wings bestellt, doch nach dem ersten Bissen stehenlassen. Danach hatte er nur noch Wasser getrunken. Leitungswasser, das er sich abgefüllt hatte, denn Kohlensäure brannte ihm die Eingeweide aus dem Leib. Stilles Wasser war in Ordnung. Was brauchte man mehr? Hunger hatte er jedenfalls nicht. Nein, er fühlte sich gut, wach, leicht, wie eine Feder im Wind.
    An der Central Bus Station in Jo’burg lieh er in einem Souvenirshop ein Telefonbuch aus, fand aber ihren Namen erwartungsgemäß nicht. Außer dass sie Mandisa Khawuta hieß, dass sie in Soweto wohnte und dass ihr Mann die Kassierer der Tankstellen, die er überfiel, zu erschießen pflegte, wusste er nichts über sie. Er fuhr trotzdem nach Soweto hinaus und stieg dort aus, wo die buntbemalten Kühltürme aufragen. An der Bahnstation sprach er ein paar herumlungernde Jugendliche an und bot ihnen tausend Rand, wenn sie ihn zu Mandisa Khawuta führten.
    «Das ist Soweto, Mann», sagte der mit der schwarzen Wollmütze. «Hier wohnt eine Million Menschen.»
    «Zweitausend Rand», antwortete er.
    Sie brauchten drei Stunden. Er vergewisserte sich, dass es die richtige Mandisa Khawuta war, schickte dann ihre vier Kinder aus der Hütte und sagte, was er zu sagen hatte. Sie sah kaum von der Feuerstelle auf, über der sie ihren Maispapp kochte, und fragte: «Woher weiß ich, dass das kein Witz ist?»
    Er hustete. Witze waren nun wirklich nicht seine Sache. Witze waren etwas für Leute, die am Leben hingen. Die gern vergessen wollten, dass der Tod um die nächste Ecke auf sie wartete. Der Tod lachte nicht über Witze, sondern über das, was den Leuten, die am Leben hingen, ernst war. Und es war ein wildes, höhnisches, erbarmungsloses Lachen, das sie alle begraben würde.
    Er holte die Kalaschnikow aus der blauen Tasche, trat an die Tür der Blechhütte und fragte zurück: «Soll ich den Alten da drüben erschießen?»
    Sie musterte ihn nun genau. Dann schüttelte sie den Kopf. «Ohne Vorschuss läuft gar nichts.»
    Er zählte dreitausend Rand ab und ließ die Scheine auf den gestampften Boden fallen. Den Rest des Geldes steckte er weg. Er lud die AK-47 durch und sagte: «Ich habe dich einmal gefunden, und ich werde dich wieder finden, Mandisa Khawuta.»
    Sie nickte. Anscheinend hatte sie begriffen, dass er nicht scherzte. Er schärfte ihr ein, dass sie keine Zeit verlieren solle. Für jede zwölf Stunden, die verstrichen, ziehe er zweitausend Rand ab.
    «Klar?»
    «Klar.»
    Draußen strich er noch einem ihrer Jungen über den Kopf. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass sie ihn dabei beobachtete. Dann fuhr er ins Zentrum von Jo’burg zurück und nahm den nächsten Bus nach Süden. Obwohl die Temperaturen wesentlich niedriger als in

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