Die Stunde des Spielers
»Ähm ... okay. Wir haben noch nichts entschieden, wir haben doch noch genügend Zeit.«
»Ich weiß nicht recht, denk doch an Cheryls Hochzeit. Der Fotograf, den sie wollten, war ein Jahr im Voraus ausgebucht. Ihr müsst diese Dinge wirklich ernst nehmen.«
Meine ältere Schwester Cheryl hatte eine große traditionelle Hochzeit gehabt. Mein Brautjungfernkleid aus rosafarbenem Taft hing bei meiner Mutter zu Hause in einem Schrank, in Plastik verpackt und ohne die Aussicht, jemals wieder getragen zu werden. Ich hatte mir geschworen, niemals das Verbrechen zu begehen, jemandem rosafarbenen Taft zuzumuten.
»Weißt du, Mom, wir hatten doch schon eine große Hochzeit in der Familie. Ben und ich haben da an etwas Kleineres gedacht.«
»Wie klein?«, fragte sie misstrauisch.
»Ähm ... Rathaus?« Ich sondierte nur die Lage.
»Oh, das wollt ihr doch nicht wirklich, oder? Ich weiß noch, wie neidisch du auf Cheryls Hochzeit warst. Du hast ständig davon gesprochen, dass deine viel größer ausfallen würde.«
Daran konnte ich mich überhaupt nicht erinnern. »Das ist Jahre her, Mom. Die Dinge ändern sich.« Man begegnet einem verlotterten Anwalt, dem eine große Hochzeit nicht im Geringsten zusagen würde. Man wird zu einem Werwolf, dem inmitten von Menschenscharen unbehaglich ist und der glaubt, die Leute wollten ihn angreifen, auch wenn sie ihn lediglich umarmen möchten.
»Tja. Ihr solltet euch wenigstens ein Datum aussuchen, damit wir den Leuten Bescheid geben können, welches Wochenende sie sich freihalten sollen.«
Oh, warum konnte ich nicht einfach die Wahrheit sagen? Die Situation würde noch ganz schön verfahren werden.
»Also Mom, falls wir uns entschließen sollten, etwas leicht... Untraditionelles ... zu tun, versprichst du dann, dass du nicht sauer bist?«
»Das hängt davon ab. Ihr wollt nicht etwa nackt oder beim Fallschirmspringen heiraten, oder?«
»Nein, nein, keine Angst. Eher traditionell untraditionell.« Ich wand mich innerlich. Und trotzdem schaufelte ich weiter mein eigenes Grab.
»Wenn euch die Ausgaben Sorgen bereiten, würden dein Vater und ich euch gern unter die Arme ...«
»Nein, das ist es auch nicht. Ben und ich sind nur einfach nicht so gut darin, so etwas zu organisieren.«
»Tja, also ich würde liebend gern ...«
Genau davor hatte ich Angst. »Nein, nein, ist schon okay. Wir kriegen das schon hin. Wie geht es eigentlich Cheryl und den Kindern?«
Damit war das Thema erfolgreich gewechselt, und wir unterhielten uns über die gewöhnlichen Sonntagsthemen. Am Ende unseres Gesprächs sagte sie: »Ich habe von deiner Sendung in Las Vegas gehört. Das klingt nach einem Riesenspaß.«
»Ja, tut es.« Ich war misstrauisch. Wie ein Tier, das eine Falle witterte, aber nicht wusste, wo sie sich befand.
Es folgte langes Schweigen. Dann: »Du und Ben werdet durchbrennen, nicht wahr?«
Sie musste hellseherische Fähigkeiten besitzen, es war die einzige Erklärung. Oder sie kannte mich einfach viel zu gut.
Ich gab mir Mühe, fröhlich zu klingen. »Es hört sich einfach so spaßig an.« Ich hoffte, dass ich überzeugend war.
Unglücklicherweise kannte ich sie nicht ganz so gut wie sie mich. Es scheint da einen kleinen Teil unserer Eltern zu geben, den wir nie verstehen. Es ist, wie wenn man versucht, sie sich vor den Kindern vorzustellen, oder wenn man herausfindet, dass sie auf dem College gekifft haben. Es überrascht einen, aber irgendwie auch wieder nicht. Es gab zwei Möglichkeiten, wie Mom reagieren würde: Entweder würde sie schimpfen und mir ein furchtbar schlechtes Gewissen machen, oder sie würde meinen Plan irgendwie auf den Kopf stellen und die Führung übernehmen. Auf ihre Antwort zu warten war wie die Ziehung der Lottozahlen: Man hoffte zwar, rechnete jedoch damit, enttäuscht zu werden.
»Wie wäre es hiermit ...«, setzte sie an. Ein Kompromiss. Sie würde eine kleine schicke Hochzeit vorschlagen, wie die Tochter einer Freundin von ihr es in Estes Park gemacht hatte, was immer noch unendlich teuer wäre und Planung erforderlich machte und gesellschaftlich anerkannt wäre. Sie durfte versuchen, mir die Sache schmackhaft zu machen, doch ich würde dennoch Nein sagen.
Dann sagte sie: »Warum fahren dein Vater und ich nicht einfach mit?«
Ich machte den Mund auf, gab aber kein Geräusch von mir. Es war ein freies Land. Ich konnte sie nicht davon abhalten, nach Las Vegas zu reisen. Und was Kompromisse betraf, war das hier gar kein so übler. Doch irgendwie klang
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