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Die Stunde des Spielers

Die Stunde des Spielers

Titel: Die Stunde des Spielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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benötigte.
    »Tut mir leid. Ich bin wohl immer noch ein wenig nervös.«
    »Das kann ich dir nicht verübeln. Ich rufe bloß an, um zu fragen, ob du mir einen Gefallen tun kannst.«
    »Wenn ich kann. Wenn es zumutbar ist.«
    »Wie ich höre, fährst du nächstes Wochenende nach Las Vegas.«
    »Du hast dir die Sendung angehört, oder?«, fragte ich.
    »Es ist eine tolle Idee. Aber warum Las Vegas? Warum nicht L.A. oder New York?«
    Warum fühlte ich mich von der Frage in die Enge getrieben? Warum errötete ich? »Warum nicht Las Vegas?«
    »Ihr brennt durch, nicht wahr? Du und Ben.«
    Er hatte mich aus der Fassung gebracht. »Nicht dass es dich auch nur das Geringste anginge.«
    »Trotzdem herzlichen Glückwunsch.«
    »Danke. Um welchen Gefallen handelt es sich also?«
    »Können wir uns irgendwo treffen?«
    Ich hegte den Verdacht, dass Vampire, zumindest die alten, eine Aversion gegen Technik hatten. Rick behauptete, er habe Coronado gekannt. Nach diesen Maßstäben war das Telefon immer noch ein protziges, neumodisches Gerät. Sie zogen das persönliche Gespräch vor. Außerdem konnten sie dabei ihren seltsamen vampirischen Einfluss einsetzen, eine Art Hypnose, die ihre Opfer benebelt und hilflos werden ließ.
    »Rick, es tut mir leid. Mir fehlt die Zeit, in ganz Denver herumzurennen. Kannst du es mir nicht einfach sagen?«
    »Und wenn ich morgen Abend zur dir ins Büro komme?«
    Ein Nein würde er nicht akzeptieren. »Sagen wir Montagabend. Bring mich nicht dazu, am Wochenende zu arbeiten.«
    »Schön. Bis dann.« Er legte auf.
    Verärgert fuhr ich nach Hause. Eigentlich sollte das Durchbrennen nach Las Vegas die Dinge vereinfachen, und jetzt wurde die Sache zu einem Riesenrummel. Allmählich sah das Rathaus gar nicht mehr so übel aus. Meine schlechte Laune verflog jedoch, als ich durch die Tür trat und mich Ben mit einem Kuss begrüßte, der länger andauerte, als ich die Luft anhalten konnte. Ich sank in seine Arme.
    »Die Sendung klang gut«, sagte er. »Wie fühlst du dich?«
    Er hörte sich meine Sendung an. Er fragte mich, wie mein Tag war. Deshalb heirateten wir. Als müsste ich mir das noch in Erinnerung rufen.
    Ich schenkte ihm ein verklärtes Lächeln. »Ich fühle mich großartig.«
    Es wäre gelogen, wenn ich nicht zugäbe, dass das Durchbrennen nach Las Vegas teilweise deshalb so attraktiv wirkte, weil wir so nicht unzählige Gäste einladen mussten - Freunde, Familie, Kollegen, Werwölfe und so weiter. Nur nichts verkomplizieren. Wenn wir gar niemanden einluden, dann konnten alle, die wir kannten, gleich gekränkt sein.
    Leider hörte sich meine Mutter ebenfalls meine Sendung an und konnte besser zwischen den Zeilen lesen als jeder, den ich sonst kannte. Sie besaß geradezu hellseherische Fähigkeiten, was ein schrecklich furchteinflößender Gedanke war. Doch das würde die eine oder andere Begebenheit auf der Highschool erklären.
    Wir lebten praktisch in der gleichen Stadt. Mom und Dad wohnten im selben Haus in dem Vorort, in dem sie die letzten fünfundzwanzig Jahre gelebt hatten, eine kurze Autofahrt auf dem Freeway von der Eigentumswohnung entfernt, die Ben und ich uns teilten. Dennoch rief Mom jeden Sonntag bei mir an. Beinahe konnte ich meine Uhr nach ihr stellen. Sie wollte sich gern vergewissern, dass alles in Ordnung war. Irgendwie war es tröstlich - ich konnte niemals einfach so verschwinden; Mom würde es auffallen, und zwar eher früher als später.
    Als das Telefon am Sonntag klingelte, dachte ich, ich sei bereit.
    »Hi Kitty, hier spricht deine Mutter.«
    »Hi Mom. Wie geht es dir?«
    »Besser, seitdem sie aufgehört haben, mir jede Woche andere Medikamente zu geben. Ich scheine allmählich mein Gleichgewicht wiederzufinden.« Die Frau hatte Krebs und schaffte es trotzdem, fröhlich zu klingen. Sie entwickelte sich wirklich zu einer meiner Heldinnen.
    »Cool. Das ist großartig.«
    »Wie laufen die Hochzeitspläne?«, fragte sie mit dieser vielsagenden Mutterstimme, mit einem verschwörerischen Zwinkern hinter den Worten. Auch deswegen wollte ich nach Vegas durchbrennen: Damit meine Mutter aufhörte, mir jede Woche Löcher in den Bauch zu fragen, wie es mit der Hochzeitsplanung lief. Ich würde diesen Tonfall nicht acht Monate lang ertragen - und so lange dauerte es, eine konventionelle Hochzeit zu organisieren. Doch Ben hatte Recht. Sie würde mich umbringen, wenn sie es herausfand. Ich wollte es ihr nicht sagen.
    Warum kam ich mir auf einmal wieder wie eine Zwölfjährige vor?

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