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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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Kaufmannstruhe handelte, die im oberen Teil ein Fach für Münzen hatte und unter einem doppelten Boden Platz für Wechsel und wichtige Dokumente. Der Deckel der Kaufmannstruhe hatte auf den leisesten Druck nachgegeben, seine Finger berührten Papier und Pergament, einen Ring, der lose zwischen den Schriftstücken lag.
    Er fand auch den verborgenen Haken und stellte fest, dass das untere Fach leer war. Möglicherweise wusste sein Schlafpartner gar nichts vom doppelten Boden seiner Schatulle.
    Umso besser. Domenico zog den kleinen Lederbeutel mit den zehn Diamanten unter seinem Wams hervor und schob ihn in den Hohlraum. Er war gerade hoch genug, dass auch die größeren Steine Platz fanden. Als er das Fach schloss, musste er fest zudrücken, und als er das Kästchen prüfend schüttelte, vernahm er keinen Laut. Noch besser.
    Befreit von der gefährlichen Last, zögerte er trotzdem, ins Bett zurückzukehren. Hatte er nicht eben ein eigenartiges Kratzen an der Tür vernommen? Was geschah, wenn seine Verfolger eindrangen und Gewalt anwendeten? Jean-Paul durfte er nicht auch noch in Gefahr bringen.
    Das Kratzen wurde lauter. Domenico konnte vor lauter Müdigkeit kaum noch denken. Seit er von Paris aufgebrochen war, hatte er nur wenig geschlafen. Dennoch wusste er eines: Wer immer dort draußen lauerte, hatte es auf ihn abgesehen und nicht auf den ahnungslosen Reisenden aus Burgund. Es war nicht seine Art, Unschuldige in seine Fehden zu verwickeln. Er nahm sein eigenes Bündel und öffnete vorsichtig die Tür. Er wusste, wohin der andere reiste, es würde ein Leichtes sein, ihm zu folgen und die Diamanten später wieder an sich zu nehmen.
    Im absoluten Dunkel des niedrigen Stiegenhauses stieß Domenicos Fuß gegen ein weiches Hindernis. Eine Katze fauchte und tappte eilig mit weichen Pfoten die Treppe hinab. Er hatte sie bei der Mäusejagd gestört. Völlige Stille lag über dem Haus. Wie blamabel. Eine Katze hatte ihn erschreckt. Warum er der Jägerin nachschlich, wusste er selbst nicht genau. In der Gaststube lagen die Söldner kreuz und quer auf den Bänken und auf dem Boden. Im Hof schliefen die Wärter, die auf das Handelsgut aufpassten, gegen die mächtigen Räder der Fuhrwerke gelehnt, oder sie hockten in sich zusammengesunken an den Hauswänden. Über dein Eingang zum Stall verbreitete eine eiserne Laterne ein schwaches rötliches Licht.
    Ob die Stallknechte seinem Pferd wie versprochen den Hafer ins Futter getan hatten? Den Hengst hatte der Gewaltritt ebenso angestrengt wie seinen Herrn. Domenico ging unter der Laterne hindurch und wandte sich nach rechts. Der scharfe Schlag zwischen die Schulterblätter traf ihn jäh aus dem Nichts. Er taumelte, stürzte auf die Knie. Es blieb ihm nur die Sprache seiner Kindheit, um seine eigene Dummheit zu geißeln.
    Idiota!
    Dann wurde es dunkel um ihn.

11. Kapitel
    B RÜGGE , 16. JULI 1369
    Aimée versuchte ruhig zu bleiben.
    Gegenüber Rubens Mutter das Gesicht zu wahren riet Aimée die Vernunft, aber selten war ihr etwas so schwergefallen. Sophia sprach ihr jedes Recht ab, Herrin ihres eigenen Haushaltes zu sein.
    »Die Leitung des Haushaltes, die Verwaltung der Vorräte und die Führung des Gesindes zählen zu den Pflichten einer jeden Ehefrau«, versuchte sie ihren Standpunkt klarzumachen. »Ihr könnt mir diese Verantwortung nicht nehmen. Wenn Ihr mir die Schlüsselgewalt verweigert, verstoßt Ihr gegen geltendes Recht. Euer Sohn ist mein Gemahl und der Herr dieses Hauses.«
    Sophia stieß den Ebenholzstock mit dem Silberknauf auf die Platten, dass Aimée erschrak. Es gefiel Aimée nicht, diesen Streit in der Eingangshalle des Hauses zu führen, aber Rubens Mutter war ihr dauernd mit so viel Geschick aus dem Weg gegangen, dass sie die Gelegenheit, sie zur Rede zu stellen, nicht ungenutzt lassen wollte. Sophia begegnete ihr mit kalter Verachtung. In Rubens Gegenwart spielte sie die leidende Mutter. Wenn er den Rücken drehte, wurde sie zänkisch und verschlagen. Aimée hatte längst begriffen, dass Ruben keine Beschwerde über seine Mutter hören wollte. Sie musste sich ihren Platz ohne seine Hilfe erobern.
    »Hüte deine Zunge, Mädchen«, riet Sophia böse. »Das Recht in diesem Hause ist auf meiner Seite. Mein Vater war der Gründer Piet Cornelis. Sein Erbe wird nie in die Hände einer Frau fallen, deren einzige Mitgift ein hübsches Gesicht ist.«
    »Ihr täuscht Euch. Ich bin nicht mittellos. Mein Erbe sind die Burg von Courtenay und die dazugehörigen

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