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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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teilen, aber ihre Anwesenheit garantierte ihm möglicherweise sicheren Schlaf.
    »Alle miteinander vergeben, Herr. Und ehe Ihr mich nach unserer eigenen Schlafkammer fragt, wir haben sie vor nicht einer Stunde dem Seigneur abgetreten, der dort am Kamin sitzt. Ein Edelmann, wie Ihr seht. Besseres gewöhnt als ein Gemeinschaftsbett.«
    Domenico musterte den Graubart und teilte die Einschätzung des Wirts. Ein Mann, dem weder das Reisen selbst noch die Herberge zusagten. Seine Miene sorgte dafür, dass man trotz des Gewimmels Abstand von ihm hielt. Dennoch, einen Versuch wollte er machen.
    »Ihr gestattet, Seigneur?«
    Ohne die Antwort des Fremden abzuwarten, setzte er sich dem Mann gegenüber und winkte einer Magd, um ihr seine Wünsche mitzuteilen. Als sie davonging, verschränkte er die Arme in Brusthöhe und bedachte den Bärtigen mit einem einnehmenden Lächeln.
    »Ihr haltet mich für aufdringlich und unverschämt. Ich kann es Euch nicht verübeln. Aber dies ist der einzige freie Platz im ganzen Raum, und ich habe seit zwei Tagen nichts Vernünftiges gegessen. Habt Mitleid und duldet einen Hungrigen an Eurem Tisch.«
    »Ihr seid kein Söldner.«
    »Gott bewahre.« Domenico hob die Hände in Schulterhöhe. »Das Geschäft des Tötens missfällt mir.«
    Ein Funke Zustimmung, gefolgt von Humor, blitzte in den Augen des Edelmannes auf.
    »Was seid Ihr dann? Komödiant? Spielmann? Zumindest seid Ihr kein Franzose, obwohl Ihr unsere Sprache sprecht.«
    Die Magd kam mit dem Weinkrug und gab Domenico Gelegenheit, seine Antwort hinauszuzögern. Er hatte zwei Becher bestellt und füllte beide, ehe er einen davon auffordernd über den Tisch schob.
    »Auf Euer Wohl und Eure Gastfreundschaft, Seigneur. Bin Venezianer von Geburt. Domenico Contarini ist mein Name. Ich mag zwar das eine oder andere Talent zum Gaukelspiel haben, aber ich stelle mich nicht auf den Marktplätzen zur Schau. Mein Metier ist das Bankgeschäft.«
    »Jean-Paul von Andrieu«, lautete die knappe Antwort. »Und danke für den Wein.«
    Domenico trank seinen Becher in zwei durstigen Zügen leer und prüfte mit schnellem Blick die Männer in der Schankstube. Er spürte, dass er beobachtet wurde, aber er konnte nicht herausfinden, von wem.
    »Der Wein ist zu trinken«, plauderte er betont unbeschwert weiter. »Wenn das Essen auch noch genießbar ist, brauche ich lediglich noch einen Platz für mein müdes Haupt, damit mein Glück vollkommen ist.«
    »Ihr seid leicht glücklich zu machen, Venezianer«, erwiderte Jean-Paul. Gegen seinen Willen ließ er sich in ein Gespräch verwickeln. »Was sucht Ihr auf den Landstraßen? Sitzt Euresgleichen nicht an Wechseltischen und wiegt seine Münzen ab?«
    »Familiengeschäfte haben mich nach Paris gerufen«, antwortete Domenico und ärgerte sich im gleichen Augenblick darüber, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Er kannte den Mann nicht. Eine Lüge wäre gewiss sicherer gewesen. »Und Ihr?« fragte er. »Was treibt Euch auf Reisen?«
    »Ebenfalls die Familie. Ich muss meiner Nichte die traurige Botschaft vom Tode ihrer Großmutter nach Gent bringen.«
    »Ich hätte Euch nicht für einen Flamen gehalten.«
    »Da habt Ihr auch recht. Meine Heimat ist die Comté, und ich habe die Burg von Andrieu nur verlassen, weil ich weiß, wie traurig diese schlimme Nachricht unsere Kleine machen wird.«
    »Und was tut dieses Kind so fern von Euch in Gent?«
    Jean-Paul lächelte über den verständlichen Irrtum.
    »Das Kind ist fast zwanzig und Ehrendame der Herzogin von Burgund. Sicher habt auch Ihr von den Hochzeitsfeierlichkeiten in Gent gehört.«
    Domenico nickte, während seine Gedanken eigene Wege gingen. Andrieu hätte einen Kurier schicken können, dachte er. Dass er es nicht getan hatte, deutete darauf hin, dass der Todesfall nicht der einzige Grund für seine Reise war. Aber was ging es ihn an. Er hatte eigene Probleme in Hülle und Fülle.
    Die Magd kam mit seinem Essen und unterbrach das Gespräch. Während er das scharf gewürzte Wildragout löffelte, schwieg sein Tischgenosse und gab ihm die Gelegenheit, während des Essens die Gäste genauer zu prüfen. Am Ende konzentrierte er sich auf zwei Galgenvögel, die sich geschickt unter die Söldner gemischt hatten.
    Die Art, wie sie ihrerseits die Gaststube im Auge behielten, und die Tatsache, dass sie ihr Essen mit Dolchen aus blankem Damaszener Stahl zerteilten, gab ihm zu denken. Er verspürte keine Angst, aber er zog es vor, der Gefahr aus dem Wege zu gehen.
    »Wann gedenkt

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